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Die Digitale Dividende 2 kommt (1/3)

Terrestrik In Deutschland sind Anfang 2012 die auf der Digitalen Dividende beruhenden LTE-Netze noch nicht fertig aufgebaut. Es ist noch lange nicht absehbar, welchen Umfang mögliche Störungen des TV-Empfang im Kabel und per Antenne tatsächlich erreichen und welche Ausmasse die Folgen für den Produktionsfunk annehmen. Aber schon greifen die Telekoms und ihre Lobby auch nach dem 700 Megahertz-Band (Kanäle 49 bis 60). Die Versteigerung beginnt im Mai 2015.

Kommentar
Der Begriff „Digitale Dividende 2“ scheint, genauer betrachtet, im Zusammenhang mit WRC-12 absolut de-plaziert. Bei der „Divi-dende 1“ war es um Frequenzen gegan-gen, die im Zuge der Einführung von DVB-T vom Fernsehen nicht mehr unbedingt be-nötigt wurden. Bei der „Dividende 2“ ist das nicht der Fall. Hier wurden die Interessen des Massenmediums Fernsehen von denen der Telekommuni-kations-Betreiber vollkommen in den Hintergrund gedrängt.
Auf der Wellenkonferenz WRC-12 im Februar 2012 stand eine Umwidmung dieses Bereiches zwar nicht auf der Tagesordnung. Beobachter und Beteiligte fühlten sich daher sicher, dass der 700 MHz-Bereich nicht vor 2015 angetastet werden würde. Jedoch machten vor allem arabische und afrikanische Vertreter im Hintergrund deutlich, dass sie das 700 Megahertzband für ihre Telekoms wollen. Völlig überraschend kam es dann doch zu einem Entscheid im Sinne des afrikanisch-arabischen Vorstosses - und mit Gültigkeit auch für Europa. Damit „liegt der rote Teppich für die Mobilfunk bereit“, kommentiert das Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk und zitiert einen Telekom-Vertreter: Er begrüßte WRC-12 „im Hinblick auf ein weiteres Wachstum im Mobilfunk und neue drahtlose Breitbanddienste“.

Folgekosten sind wieder nicht absehbar

Schon während der Konferenz hatte das Institut vor den fatalen Folgen für die Entwicklung des Antennenfernsehens und den Produktionsfunk gewarnt: Eine weitere Frequenzumwidmung könnte „Störungen und Folgekosten verursachen, die um Faktoren über denen der 'Digitalen Dividende' der Kanäle 61 - 69 liegen“. Und, argumentierte das IRT, es geht nicht nur um Technisches und Folgekosten: „Der Terrestrische Rundfunk ist die Basis für eine sichere, flächendeckende und kostengünstige Information aller Bevölkerungsteile und damit eine zentrale Grundlage der demokratischen Willensbildung.“

WRC-12 stellt Entwicklung der TV-Terrestrik und Produktionsfunk erneut in Frage

LTE-Hotline
Für die Bearbeitung fremdverursachter Funkstörungen, darunter auch des TV-Empfangs durch LTE-Dienste, ist die Bundesnetzagentur zuständig. Meldungen können an die Hotline
0180 3 23 23 23
(Festnetz: 9 ct/min; Mobilfunk: Max. 42 ct/min) erfolgen.


Das Fernsehen hatte die erste Digitale Dividende bereits mit 20 Prozent seiner Kanäle (K 61 bis 69) bezahlt. Davon waren nur zehn Sendeanlagen bzw. fünf Multiplexe betroffen gewesen. Und in der Folge hatte RTL das Verbreitungsgebiet Nürnberg aufgegeben. Etwa zeitgleich musste das Fernsehen zudem sechs VHF-Multiplexe zugunsten des Digitalradios räumen. Seither sind die DVB-T Ausstrahlungen auf etwa 60 Prozent des zuvor genutzten Frequenzspektrums konzentriert.

WRC-12 stellt jetzt jeden vierten Kanal des noch verbliebenen Spektrums zur Disposition. Für Deutschland würde das heißen, dass an etwa 120 von knapp 580 Sendeanlagen Umschaltungen stattfinden müssten. Wie, bei angemessener internationaler Koordination, die betroffenen Multiplexe in das Restspektrum zwischen den Kanälen 21 und 49 eingeordnet werden können, bleibt offen.

Damit steht die Zukunft des Empfangswegs Antenne in Frage. Die Einführung von DVB-T2 und damit des Zugangs der deutschen Antennenzuschauer zu HDTV-Programmen, könnte auf der Kippe stehen. Ein kleiner Nebeneffekt: Wer dann auf HDTV Wert legt, würde nicht nur in die Fänge kostenpflichtiger Sat- und Kabelangebote getrieben werden. Auch IPTV-Dienste der Telekoms stünden auf der Matte, um Antennenzuschauer (die bisher keine Netzkosten zahlen müssten) für ihre kostenpflichtigen Dienste abzuwerben.

Das trifft andere europäische Länder mit wesentlich höherem Marktanteil der Antennen (z.B. Frankreich, England und Italien) sicherlich noch viel härter als Deutschland mit einem Marktanteil für DVB-T von nur knapp 12 Prozent. Aber anderswo macht man sich immerhin vorher über die Folgen Gedanken: So plant z.B. England, wo 2013 der 800 MHz-Bereich versteigert werden soll, Massnahmen für Haushalte, deren TV-Empfang durch die 4G-Mobilfunkdienste gestört wird.

Die Bundesregierung, teilte das IRT noch am 9. Februar 2012 mit, werde „im Rahmen der WRC-12 keinen Frequenzzuweisungen an den Mobilfunk zustimmen und Präjudizierungen für kommende Konferenzen entgegen treten“. Das erwies sich als Muster ohne Wert. Denn schon zu diesem Zeitpunkt ließen die europäischen Funkverwaltungen, so das IRT, „keinen Zweifel daran, dass sie sich eine derartige Umwidmung sehr wohl im Rahmen der kommenden WRC im Jahr 2015 vorstellen können“.

Es geht auch anders: Zum Beispiel England

In England liegt der Marktanteil der Antenne bei etwa 40 Prozent (Deutschland: 11,8 Prozent). Dort soll der 800 Megahertz-Bereich 2013 versteigert werden. Im Gegensatz zu Deutschland, wo Verträglichkeitstests zum Nebeneinander von Mobilfunk und Fernsehen nur halbherzig durchgeführt wurden (z.B. in einer Brandenburg-Region mit schlechter DVB-T Versorgung), wurden dort 2011 erste Massnahmen eingeleitet. Dazu gehört ein Trial zur Eignung der „White Spaces“ zwischen den TV-Frequenzen für eine Nutzung durch Mobilfunkdienste.

Weitere Aktivitäten wurden Anfang 2012 angekündigt. Die Regierung will 180 Mio. Pfund (216 Mio. Euro) aufwenden, um Schutzmassnahmen gegen Störungen des TV-Empfangs durch den Mobilfunk zu entwickeln. Dies sei angesichts der erwarteten wirtschaftlichen Effekts von 2 bis 3 Mrd. Pfund (2,4 bis 3,6 Mrd. Euro) angemessen. Insbesondere soll Filtertechnik gegen Einstrahlungen entwickelt und an Haushalte mit alten Nenschen und Behinderten vergünstigt abgegeben werden.

Nach Angaben der Medienbehörde Ofcom ist mit 3 Prozent der Haushalte zu rechnen, deren Fernsehempfang gestört werden könnte. Das könnte bei 30.000 Haushalten dazu führen, dass ein oder mehrere Multiplexe nicht mehr empfangen werden können. Eine geringe Zuschauerzahl werde sogar gezwungen sein, von der Antenne zum Kabel oder Satelliten zu wechseln. Die Kosten je Haushalt sollen bei etwa 350 Pfund (420 Euro) liegen.

Solche Chancen wurden für Deutschland vertan. Der Bund kassierte bei der Frequenzauktion 2010 4,4 Mrd. Euro, die zum Teil über die Breitbandförderung an die Telekoms zurückfließen. Hilfen für Privathaushalte gibt es nicht. Der ebenfalls betroffene Produktionsfunk (bis zu 700.000 betroffene Geräte) wird - erst nach langem Streit zwischen Bund und Ländern - mit läppischen 70 Mio. Euro entschädigt.

Wünschenswert wäre eine gänzlich andere Politik bei der Umsetzung der Digitalen Dividende 2. Im Sinne des Massenmediums Fernsehen und knapp 12 Prozent betroffener Haushalte sowie des wiederum tangierten Produktionsfunks sollte das 700 Megahert-Band diesen beiden Nutzungen unbeeinträchtigt erhalten bleiben. Für Nordafrika mag die Umnutzung des 700 MHz-Bandes einen Sinn machen; für Europa ist das gänzlich ungeeignet.

Warnungen und Erfahrungen scheinen allerdings bei der Politik nicht zu zählen: Der Angriff der Telekoms auf das 700 Megahertzband wurde im Februar 2012 tatsächlich beschlossen.

Weitere Informationen:
dehnmedia-Meldung Startankündigung der Frequenzauktion (April 2015).
Beitrag im Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk (Februar 2012).
dehnmedia-Meldung zu britischen Aktivitäten vom 22.2.2012.
Presseinfo der ITU zu den Ergebnissen von WRC-12 vom 17.2.2012.
Position von IRT und EBU zur Frequenznutzungspolitik.
dehnmedia-Meldung (2) zur WRC 2012 vom 9.2.2012.
dehnmedia-Meldung (1) zur WRC 2012 vom 29.1.2012.

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