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Parteivertreter in Kontrollfunktionen (1/5)

2014 hatte das Bundesverfassungsgericht einen bestimmenden Einfluß von Politik-Vertretern in Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Sender für verfassungswidrig erklärt. Auslöser waren CDU und CSU, die in den von ihr dominierten ZDF-Gremien die Ablösung des allgemein geachteten Chefredakteurs Nikolaus Brender durchgesetzt hatten. Für Gremien und Chefposten der Landesmedienanstalten sollte das in ähnlicher Weise gelten. Es gibt aber keine juristische Äußerung, obwohl das seit Langem fällig ist.

Denn mit schöner Regelmäßigkeit findet man abgewählte Politfunktionäre in wichtigen Funktionen in Verbänden und Institutionen wieder. Da bilden die Medienanstalten (und nicht nur dortige Verbandsvertreter) keine Ausnahme. Das führt gelegentlich zu Rüffeln, wenn jemand nicht gemäß den Ideen der Landesregierung gehandelt hat. Manchmal wird auch die parlamentarische Oppositionsarbeit in die Gremien der Medienanstalten verlagert oder diese für Interessen der Landesregierung eingespannt. Obwohl rein formal und gesetzlich die Gremienvertreter der Landesmedienanstalten nicht an Weisungen gebunden sind.

Oft geht es Landtags-Mehrheiten bzw. Landesregierungen darum, ihre medienpolitischen Ziele durch die Landesmedienanstalten umsetzen zu lassen. Das führt im Extremfall zur Entmündigung der gesellschaftlich relevanten Vertretungen in den Gremien, wie ein 2019 entstandener Vorfall in Sachsen zeigt. Auslöser der Beschäftigung mit dem Thema war jedoch 2017 die Neubesetzung der Direktorenstelle der LMK in Rheinland-Pfalz.

Politiker in Entscheidungspositionen bei den Medienanstalten

Der Fall Eumann (Rheinland-Pfalz) und die Deitenbeck-Nachfolge (Sachsen) sind keine Ausnahmen bei der Sicherung der politischen Einflußnahme an oberster Medienwächter-Stelle. Als NRW-Medienstaatssekretär hatte Marc Jan Eumann (SPD) selbst und die rot-grüne NRW-Koalition zuvor durch eine Gesetzesänderung neue Kriterien geschaffen, die eine Wiederwahl des LfM-Direktors Jürgen Brautmeier verhinderten. Auch Eumann erfüllte die neuen Voraussetzungen nicht. Nachdem Rot-grün in NRW abgewählt wurde, musste er untergebracht werden. Das bewerkstelligte die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz, wo Eumann Direktor der Medienanstalt LMK wurde. Dort folgte er seiner Parteifreundin Renate Pepper.

Neuer Direktor der LfM wurde 2016 Tobias Schmid. Er war zuvor Cheflobbyist der RTL-Gruppe. Im Saarland leitet mit Stephan Ory der Vertreter eines Lobbyverbandes die Arbeit des Medienrates. Böcke als Gärtner?

Das sind einige Beispiele der letzten Zeit. Das politisch gedrehte Besetzungskarussell ist aber keinesfalls auf einzelne Bundesländer oder gar eine einzelne Partei beschränkt. Die nachfolgende Übersicht zeigt, welche Chefs der Landesmedienanstalten zuvor als Parlamentarier tätig waren oder in Positionen, die aufgrund von Wahlergebnissen besetzt werden.
Baden-Württ. Hier verzichtet das System ehrlich auf eine Wahl durch plural besetzte Gremien. Der Direktor der Medienanstalt LfK wird gleich vom Landtag ernannt. Wolfgang Kreißig, Anfang 2017 gewählt, kann sich also auf ein grün-schwarzes Koalitionsticket berufen. Er diente vorherigen Landesregierungen u.a. als Leiter des Medienressorts im CDU-geführten Staatsministerium.
Bayern BLM-Präsident Siegfried Schneider fungierte bis zum Amtsantritt Ende 2011 als Leiter der bayerischen Staatskanzlei und war damit für die Medienpolitik der Landesregierung verantwortlich. Seit 1994 war er für die CSU im Landtag. Sein 2021 gewählter Nachfolger Thorsten Schmige war in der Staatskanzlei für Medienpolitik verantwortlich, bis er 2019 als Geschäftsführer zur BLM wechselte.
Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks, war zuvor übrigens Pressesprecher von Kanzlerin Merkel und hatte davor Funktionen in bayerischen Ministerien.
Die FDP, Koalitionspartner der CSU, schickte 2019 Helmut Markwort in den Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks. Er hat unternehmerische Interessen als Anteilseigner großer privater Radiofirmen.
Berlin
Brandenburg
Über jeden politischen Zweifel war Hans Hege erhaben, der 1985 vom Berliner Senat als Direktor in die Anstalt für Kabelkommunikation wechselte - quasi als erster Chef einer Landesmedienanstalt. Von 1992 bis 2016 war er Direktor der Nachfolgeinstitution MABB. Er ist heute unabhängiger Experte für die Bundesmedienkommission der FDP tätig.
Auf den dienstältesten Chef einer Medienanstalt folgte 2015 die Medienrechtlerin Anja Zimmer. Von ihr übernahm Anfang 2021 Eva Flecken. Sie war zuvor beim Privatsender Sky als Vice President für die Bereiche Regulierung und Jugendschutz sowie Politik verantwortlich.
Entscheidungen treffen die neun Medienräte: Je vier werden von den beiden Landtagen mehrheitlich gewählt. Über den Vorsitz bestimmen beide Parlamente mit 2/3-Mehrheit. Der Staatsvertrsg Berlins und Brandenburgs verzichtet auf ein pluralistisches Gremium.
Bremen Cornelia Holsten war Richterin und Gerichts-Pressesprecherin, bevor sie 2009 zur Direktorin der Bremischen Landesmedienanstalt gewählt wurde.
Hamburg
Schl.-Holst.
Die Geschäfte der Zweiländeranstalt MA HSH führt Direktor Thomas Fuchs seit 2008. Ab 1999 war er zunächst persönlicher Referent des Wirtschaftssenators (SPD), danach Abteilungsleiter einer Hamburger Behörde. Dorthin kehrte er Ende 2021 als Datenschutzbeauftrager zurück. Als Nachfolgerin wurde Eva-Maria Sommer gewählt, die von der LfK Baden-Württemberg an die Waterkant wechselt.
Hessen Joachim Becker ist seit 1990 bei der LPR und seit 2014 deren Direktor.
Meckl.-Vorp. Bert Lingnau ist seit 2016 Direktor der MMV, für die er seit 2009 arbeitet. Zuvor war beim NDR als Journalist tätig.
Niedersachsen Zum Nachfolger von Andreas Fischer ab Mitte 2020 wurde dessen Stellvertreter Christian Krebs berufen. Der Volljurist Krebs ist seit 2004 in der NLM und seit 2011 deren Chefjurist.
NRW Direktor der LfM ist seit 2016 Tobias Schmid. Sein Vertrag wurde für eine zweite Amtszeit bis Ende 2028 verlängert. Er war zuvor Cheflobbyist des RTL-Konzerns.
Zum medienpolitisch Verantwortlichen in der 2017 gewählten CDU/FDP-Landesregierung wurde Stephan Holthoff-Pförtner ernannt. Er ist Gesellschafter der Funke Mediengruppe (an 11 der 44 NRW-Lokalradios beteiligt) und war zuvor Präsident des Verlegerverbandes. Er nach öffentlichem Druck gab er das Ressort ab.
Werner Schwaderlapp ist seit 2014 Vorsitzender der LfM-Medienkommission. Er begann seine Karriere beim ZDF, war später für Endemol in Führungspositionen und ist Hochschullehrer.
Rheinland-Pfalz Mit Marc Jan Eumann (SPD) wurde ein Medienpolitiker nach dem Scheitern seiner NRW-Koalition bei Landtagswahlen auf einen medienpolitisch wichtigen Posten im Nachbarland lanciert.
Saarland Uwe Conradt, seit 2016 Direktor der LM Saar, war 2003 bis 2012 für als Abteilungsleiter der Medienanstalt tätig. 2012 bis zur Wahl als Direktor war er für die CDU medienpolitischer Sprecher im Landtag. Die CDU zog ihn schon 2019 aus der LMS ab und ließ ihn zum Bürgermeister von Saarbrücken wählen. Mit Mehrheit der GroKo wurde die CDU-Politikerin Ruth Meyer vom Landtag unter beachtenswerten Umständen zur Nachfolgerin gewählt. Eine Klage gegen die Wahl wurde abgewiesen.
Stephan Ory wurde von der Landesregierung in den Medienrat entsendet und dort zum Vorsitzenden gewählt. Er führt den Lobbyverband APR der Privatradios. Nun kontrolliert er sich quasi selbst.
Sachsen Martin Deitenbeck war seit 2000 Geschäftsführer der SLM; zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter der CDU-Landtagsfraktion. Nach seiner Entlassung durch den fünfköpfigen, vom Landtag eingesetzten, Medienrat Anfang 2019 wurde deutlich, dass die 35köpfige SLM-Versammlung nicht länger machtlos bleiben will. Die schwarz-grün-rote Landeskoalition unternahm, wie wohl zu erwarten war, bis Ende 2021 nichts.
Sachsen-Anh. Martin Heine ist seit 2007 Direktor der MSA. Ab 2003 war er persönlicher Referent des damaligen CDU-Justizministers. Die CDU hat mit Markus Kurze, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, auch den Vorsitz im Medienrat im Griff. Dem dreiköpfigen Vorstand gehört auch Konrad Breitenborn an; er kam zuerst mit FDP-Ticket ins Gremium, später (nicht mehr MdL) wurde er von mehreren Verbänden benannt. Vorständlerin Nr. 3 ist Annekatrin Valverde; sie vertritt den Bauernbund, die die Begriffe „christlich - konservativ - heimatverbunden“ im Kopfbogen führt. Diesem Gremium wird per Gesetz im 29köpfigen Medienrat „ein Großteil an Entscheidungskompetenzen eingeräumt“ (MSA). Den Rechtsausschuß des Gremiums führt Holger Hövelmann (SPD). Wie sein Stellvertreter Daniel Sturm (CDU) und Kurze sitzt er im Medienaussch8uß des Landtages.
Thüringen Jochen Fasco war ab Ende 1993 Referatsleiter Medienrecht und -politik in der CDU-geführten Staatskanzlei, später Personalchef des Kultusministeriums. TLM-Direktor ist er seit 2007. 2019 wurde er in die dritte Amtszeit bis 2025 berufen.

Interessant ist die Feststellung, dass fast alle Direktoren Juristen sind, nur wenige haben jedoch eine Fachqualifizierung im Medienrecht.

Die Landesmediengesetze vereinfachen im Übrigen politische Klüngeleien von Parteivertretern und deren (Partei-)Freunden, die Verbände in solchen Gremien vertreten. Um deren Stimmen muss bei wichtigen Entscheidungen in der Regel nicht geworben werden.

Die weiteren Seiten dieses Bereiches greifen einige der genannten Fälle auf.

Weitere Informationen:
Hintergrund: Die Landesmedienanstalten und ihre Finanzierung.
Medienanstalt LfM verlängert mit Direktor Schmid vom 8.4.2022.
Direktorin für Zweiländer-Medienanstalt gewählt vom 13.11.2021.
Interessenkonflikte zwischen Politik und Medien? vom 30.6.2017.
RTL-Cheflobbyist zum Medienwächter gewählt vom 25.6.2016.

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