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Archiv : HDTV-Perspektiven: Debatte um 1080p/50

Nochmal: Die HDTV-Systemdebatte und Zukunftstandards

2010 kam eine Debatte um das beste Verfahren für die Verbreitung von HDTV-Sendungen auf. Eine Online-Petition forderte die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf, zugunsten der höheren Bildauflösung des 1080i/25-Sendemodus (der von den Privaten favorisiert wird) auf den dort gewählten Modus 720p/50 zu verzichten.

Weitere Irritationen löste ein Schreiben des MDR aus: Dort werden die Programmlieferanten des Senders aufgefordert, Produktionen ab Juli 2010 in 1080i/25 statt bisher 720p/50 abzuliefern. Das ZDF will bei 720p/50 bleiben. Von anderen ARD-Anstalten wurde bis 2014 keine Entscheidung bekannt; jedoch soll das im April 2014 eingeweihte neue Tagesschau-Studio in 1080i produzieren. Die Zuschauer sind ohnehin nicht betroffen, da es nicht um die Programmverbreitung geht.

HDTV künftig in 1080p/50?

Ein Beitrag der Fachzeitschrift „FKT“ zum bisher als Zukunftsoption gehandelten HDTV-Modus 1080p/50 geht unter Berufung auf Praxistests der BBC zunächst davon aus, „dass Zuschauer das '1920 x 1080'-Format erst ab einer Bildschirmgrösse von weit über 52 Inch als erkennbar wünschenswert einstufen“. Ob und wie stark sich der Trend zum großen Display in Richtung dieser „Bildriesen“ weiter entwickelt, bleibt offen. Displays mit solchen Bilddiagonalen von umgerechnet mehr als 1,80 Metern brauchen schließlich ihren Platz im Wohnzimmer. Damit ist der Zielmarkt für solche Produkte schon eingeschränkt.

Aus technischer Sicht gelte 720p/50 (also wie bisher von ARD und ZDF zur Ausstrahlung verwendet) auch bei geringeren Bitraten der Sendestrecke als „robuster“, so der Beitrag. Umgekehrt haben Tests von Prototyp-Geräten für die Sendeseite ergeben, dass 1080p/50-Encoder (und mit MPEG-4) bessere Ergebnisse zeitigen als die bisherige 1080i/25-Studiotechnik - und zwar bei einer Datenrate von 12 Megabit pro Sekunde. Zusätzlich kommt auch dort der Hinweis, dass progressive (Voll-) Bilder auch auf der Produktionsseite erhebliche Vorteile bringen. Das sei vor allem beim Encoding von Sportszenen - also mit hohem Bewegungsanteil - „überdeutlich sichtbar“ geworden. Zudem ersparen progressiv gesendete TV-Bilder das durchaus fehlerbehaftete „De-Interlacing“ im progressiv arbeitenden Display des TV-Geräts.

HDready-Bildschirme, so der Artikel, seien zumeist ohnehin für 1080p/50 geeignet. Und sie werden für die Darstellung von 3D-Konserven bzw. die Ausstrahlung künftiger 3D-Programme wichtig. Der Artikel sieht daher neben 1080p/50 das Thema 3D wie auch das interaktive HbbTV als einen Mehrwert, der gegenüber dem Verbraucher argumentiert werden kann.

Hoch gerechnet, tief gefallen?

Über die erwähnte Eine (anonym lancierte) Online-Petition „1080i bei ARD+ZDF jetzt!“ lässt sich trefflich streiten. Vorweg eine historische Bemerkung: Das Zeilensprungverfahrens (Halbbilder) wurde Anfang der 50er Jahre aufgrund der begrenzten Bandbreite für das analoge Fernsehen eingeführt. Das damit verbundene lästige „Zeilenflimmern“ wurde in Kauf genommen; Verbesserungen gab es erst viel später durch die 100 Hertz-Technik (Bildverdopplung im Röhrenfernseher).

Richtig ist sicherlich bei der heutigen digitalen TV-Verbreitung, dass die 720 mal 1280 Pixel großen HDTV-Vollbilder (720p/50) der öffentlich-rechtlichen Ausstrahlungen im Fernsehgerät auf die volle Auflösung der Displays von 1920 mal 1080 Pixeln umgerechnet werden. Wesentlich schwieriger als das ist aber der Umgang mit den „interlaced“-Bildsignalen der privaten HDTV-Sender.

Dazu muss man wissen, dass „interlaced“-Bilder aus Halbbildern zusammengesetzt sind: „Hier werden aufeinanderfolgende Halbilder verwoben“, so die Petition. Das ist allenfalls halb richtig. Tatsächlich werden einem Originalbild die ungeraden Bildzeilen entnommen, die geraden Bildzeilen stammen aber aus dem 1/25 Sekunde später entstehenden nächsten Originalbild. Das Zusammenfügen beider nicht wirklich zusammen gehörenden Bildteile tritt bei ruhigen Bildern (z.B. dem Nachrichtensprecher) nicht deutlich hervor. Es führt jedoch bei schnellen Bewegungen im Bild zu Artefakten. Dann liegen beide Bildmotive etwas auseinander. Das ist naturgemäss vor allem bei Sportsendungen und Actionfilmen der Fall.

Halbbildaufbau. Grafik: EBU Vollbildaufbau. Grafik: EBU
Aufbau eines Fernsehbildes: Links interlaced (Halbbilder), rechts progressiv (Vollbilder). Grafiken: EBU.

Eine weitere Schwierigkeit im Umgang mit 1080i-Ausstrahlungen entsteht in den Fernsehern. HDTV-Displays, LCDs wie Plasmas, arbeiten grundsätzlich im Vollbildmodus. Halbbild-Ausstrahlungen - z.B. der privaten HD-Programme - müssen im Fernseher also in Vollbilder umgewandelt werden. Dieses Deinterlacing ist technisch wesentlich schwieriger und fehlerbehafteter als das Hochrechnen. Selbst „hochwertige De-Interlacer ... können aber niemals völlig fehlerfreie Ergebnisse liefern.“ (www.hightv.de). Verstärkt wird diese Fehlerquelle durch die unterschiedliche Qualität der von den Herstellern dafür verwendeten proprietären Verfahren.

Die Eigenheiten des „Zeilensprungs“ führen dazu, dass 1080i-TV-Bilder - im Vergleich mit 720p - subjektiv als unruhiger und unangenehmer empfunden werden. Das ergaben Tests der EBU. Dies ist der Hintergrund für die Entscheidung der EBU, ihren Mitgliedern 720p/50 zu empfehlen. Nachzulesen ist das auf der EBU-Website: „On emission standards, the EBU favours the use of progressively-scanned formats, such as 720p/50 or 1080p/50 ...“ Die EBU-Mitglieder sind wesentlich europäische öffentlich-rechtliche Anstalten. Deutsche Privatsender sind dort nicht Mitglied und nicht an EBU-Entscheidungen gebunden. Die Darstellung der Petition, dass die „anderen EBU-Mitglieder“ 1080i senden, ist sachlich falsch.

In der Petition fallen weitere Unrichtigkeiten auf: „Bei Filmquellen sind die Halbbilder zeitgleichen Ursprungs ...“. Das ist falsch. Bilder von Kinofilmen sind, analog wie digital projiziert, grundsätzlich Vollbilder. Diese könnten selbstverständlich ohne Weiteres als Vollbilder im Fernsehen gesendet werden - genau das tun ja ARD und ZDF. Der für die älteren analog gedrehten Auftragsproduktionen der Öffentlich-rechtlichen wie der Privaten meist genutzte 16mm-Film bietet eine dem 720p-Modus entsprechende Bildqualität bzw. Auflösung.

Noch eine Alternative? 1080psf/50?

In dem Zusammenhang bringt der anonyme Petitionsautor einen 1080psf/25-Bildmodus ins Gespräch. Dieser entnimmt im Gegensatz zu interlaced beide Halbbilder aus einem einzigen Vollbild (die allerdings nacheinander gesendet werden). Das vermeidet sicherlich einige Probleme, weil es einfacher zusammen zu setzen ist. Da es sich aber bei 1080psf nicht um einen definierten Sendestandard handelt, sind die Empfangsgeräte nicht für die Verarbeitung dieser Signale eingerichtet. Das wird auch so bleiben. Die EBU (wie die TV-Hersteller) präferieren für die Zukunft eindeutig den 1080p/50 HDTV-Modus - also auf mit 1920 mal 1080 Pixeln aufgelöste Vollbilder mit doppelter Bildrate. Dies für die Produktion wie für die Programmverbreitung. So werden Umwandlungen des Signals und dadurch bedingte Qualitätsverluste vermieden.

1080p/50 erweist sich schlussendlich in mehrfacher Hinsicht als der optimale HDTV-Modus. Dem guten Willen steht jedoch entgegen, dass eine komplette Studio- und Sende-Infrastruktur mit auf 3 Gigabit/Sekunde verdoppelter Datenrate ebenso wie die Übertragung über Kabel, Sat, Antenne, finanziert werden muss.

Ganz wirr ist dieser Halbsatz der Petition: „Scharf belichtete Bildregionen ...“. Die Schärfe eines Bildes und die Belichtung hängen überhaupt nicht zusammen. Das weiss jeder, der schon mal einen Fotoapparat benutzt hat ...

Noch ein Nachsatz: Die Internationalität des Fernsehgeschäfts erschwert die Produktion von Programmhöhepunkten. So wurden die Olympischen Winterspiele 2010 orignär im Modus 1080i/29,97 produziert. Das ist der in Kanada und den USA üblichen Frequenz der Stromversorgung geschuldet. Allein darum musste das von dort kommende Bild für die Ausstrahlung in Europa umgewandelt werden. Das ist notwendig - egal ob Halb- oder Vollbilder aus den Kameras abgerufen werden. Dass interlaced produziert wurde ergibt sich aus der Vielzahl angeschlossener TV-Stationen aus aller Welt, von denen die meisten 1080i bevorzugen.

Das wiederum hat einen nachvollziehbaren Grund: Die „halben“ HDTV-Bilder im Modus 1080i/50 beanspruchen natürlich nur die halbe Bandbreite. Und sind damit erheblich kostengünstiger zu übertragen ...

Update 2014: Eine obsolete Debatte?

Möglicherweise ist dieses ursprünglich 2010 aufgegriffene Thema, inzwischen (2014) ohnehin obsolet geworden. Ein 1080p/50-Betrieb deutscher Fernsehsender ist zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar. HDTV (ob in 720p- oder 1080i-Sendebildern) ist derzeit noch nicht einmal durchgehender Produktionsstandard. Im Sendebetrieb im Kabel (mit einem Analoganteil am Empfang von ca. 40 Prozent) und per Antenne ist HDTV überhaupt noch nicht angekommen.

Unterdessen preschen die Gerätehersteller wieder einmal vor und ebnen den Weg für den nächsten Schritt: Mit Schlagworten Ultra-HD oder 4k werben sie für Geräte mit einer gegenüber HDTV auf 3840 mal 2160 Pixel vervierfachten Bildauflösung, die progressiv gesendet werden sollen.

Produktion und Postproduktion solcher TV-Bilder ist kein Problem, wohl aber die Beherrschung der Bandbreiten, die Technologie und die Kosten der erforderlichen neuerlichen Umstellung der internen Infrastrukturen der Sendeanstalten und der Verbreitungswege auf die 33 Megapixel-Bilder der möglichen Fernsehzukunft.

Update 2015 (1): Ein provokativer Vorschlag

Ein Vorschlag vom April 2015 weist allerdings den Weg in eine interessante Richtung: angesichts der Probleme mit der Verbreitung von 4k-Programmen sei es sinnvoll, die für eine zweite 4k-Einführungsphase geforderten Massnahmen zur Verbesserung der Bildqualität schon für HDTV und zusammen mit dem Format 1080p/50 einzuführen.
Hintergrund-Artikel zu UHDTV/4k.

Für Weiterentwicklungen in Sachen Bildqualität gibt es dann noch die Möglichkeiten, die für UltraHD bereits diskutiert werden: High Framerate (HFR) mit einem z.B. auf 100 Bilder pro Sekunde verdoppelten Bildwechsel ist ein Trend. Dadurch würde die Zahl der zu sendende Daten verdoppelt. Ein anderer ist High Dynamic Range (HDR); jeder Pixel könnte mit mehr Daten (10 statt 8 bit) ausgestattet werden, wodurch sich die Zahl darstellbarer Farbwerte - und der Datenaufwand nochmals - erhöht. Beides, erst recht in der Kombination, stellt höchste Ansprüche an die Nutzung der Sendebandbreiten. Für eine Live-Übertragung in UltraHD ohne die beiden Verbsserungsoptionen, jedoch mit dem effizienten HEVC-Codec, wurde 2015 eine Bandbreite von 20 Mbit/s benötigt. Zum Vergleich: Ein Sat-Transponder bietet etwas mehr als 30 Mbit/s.

Update 2016: Die Terrestrik steigt auf 1080p/50 um

Mit dem Mitte 2016 einsetzenden Umstieg auf DVB-T2 HD kommen HDTV-Programme erstmals auch durch die Luft. Mit DVB-T2 HD hatte 1080p/50 als bester HDTV-Modus am 31. Mai 2016 Sendepremiere. Der Regelbetrieb von DVB-T2 HD ab dem 29. März 2017 bringt bis zu 40 Programme in FullHD ins Haus. Der Qualitätssprung sei überzeugend, argumentieren die Fernsehleute und die Mehrkosten vergleichsweise moderat. DVB-T2 HD bietet damit eine bessere Bildqualität als HDTV via Satellit oder Kabel. Die werden sicherlich nachziehen, das deutenÄußerungen an.
dehnmedia-Beiträge zu DVB-T2 in Deutschland.

Links zum Thema
Dieser Beitrag nimmt wesentlich auf den Artikel „1080p/50 - das nächste HDTV-Produktions- und Ausstrahlungsformat?“ Bezug. Autor ist Dr. Hans Hoffmann, Program Manager Technical der EBU. Der Artikel erschien in der Zeitschrift „FKT“ (Print-Ausgabe 7/2010, Seite 345). Weiterer Bezug ist die Online-Petition „1080i bei ARD+ZDF jetzt!“ und ein Kommentar dazu bei heise.de (2010).

dehnmedia-Meldung Mehr Pixel machen das Fernsehbild nicht besser (2016).
dehnmedia-Meldung ProSiebenSat1 auf Privat-Plattform für DVB-T2 (2016).
dehnmedia-Meldung ZDF verbessert Bildqualität für DVB-T2 (2015).
dehnmedia-Meldung 2k und besseres Bild statt 4k? (2015).
Technische Hintergrund-Infos der EBU und auf highTV.de (2005).
dehnmedia-Artikel zu HDTV.
Wikipedia über das Zeilenspungverfahren.
Progressives, interlaced und PsF im dehnmedia-Glossar.
dehnmedia-Meldung zum MDR-Brief vom 2.7.2010.



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