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Kommentar: Fünf Jahre DAB+ in Deutschland

Digitalradio-Schriftzug ab 5/2107 Deutschland Der 1. August 2011 setzte eine entscheidende Marke für die Verbreitung von Radioprogrammen. Nach dem Dauerflop mit der „alten“ DAB-Sendetechnik wurde das bessere DAB+ eingeführt und die Abstrahlleistungen erhöht. Erstmals gibt es nicht ein nationales Radioangebot im nationalen Gleichwellenbetrieb. Alle öffentlich-rechtlichen Programme sind dabei, ebenso wie zahlreiche private Wellen auf Länder- wie lokaler Ebene. Trotz erheblicher (auch: finanzieller) Vorteile der digitalen Verbreitung zeigt sich fünf Jahre später keine rechte Weiterentwicklung.

Denn die Beteiligten verfolgen widersprüchliche Ziele. Das betrifft die auf UKW aktiven und die nur digital verbreiteten Radios ebenso wie unterschiedliche politische Strategien für den lokalen Hörfunk in den Bundesländern. Beste Beispiele sind einerseits die politische und finanzielle Unterstützung von DAB+-Lokalradios in Bayern und auf der anderen Seite die generelle Ablehnung von DAB+ durch die lokalen Verlagsradios in NRW und die Landesregierung.

Digitalradio-Board - Motor oder Bremse?

Ein Jahr nach Einberufung hat das Digitalradio-Board des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur nicht voranbringen können, wann, wie und wohin der verbreitungstechnische Zug des Hörfunks fährt. Das scheint wenig zu verwundern, denn dort sitzen auch die Bremser der Entwicklung.

Daher fehlt es beim Hörfunk - im Gegensatz zur Digitalisierung der Fernsehverbreitung - an einem Konsens aller Beteiligten, eine nationale Planung zu gestalten und europäische Entscheidungen beeinflussen zu wollen.

Je länger Entscheidungen verhindert werden, desto eher wird DAB+ „Schnee von gestern“ - die Verhinderer spielen auf Zeit.

Die Situation fünf Jahre nach dem Start von DAB+ und des Bundesmuxes lässt sich in Stichworten so zusammen fassen:
Seit 2011 und bis Ende 2016 werden etwa 7,5 bis 8 Mio. Radios mit DAB+ Empfang (in der Regel auch mit UKW) in Deutschland verkauft. Allein 2015 waren es 952.000 - Tendenz: steigend. Der Absatz von DAB+-Geräten verhinderten 2015 den Zusammenbruch des Radiogerätemarktes.
Es fehlt jegliche nationale Strategie für die Zukunft der Radioverbreitung. Ursache ist nicht nur der fehlende Konsens der Sender, Netzbetreiber, usw. Es fehlt der politische Wille, die Zukunft der linearen Rundfunkverbreitung zu gestalten (und zwar ohne, dass eine Lobby einflüstert, wie das zu tun wäre). Mit seiner Breitbandstrategie hat der Bund den linearen Rundfunk bisher sogar eher (und ganz im Sinne der Mobilfunk-Lobby) bekämpft.
ARD und Deutschlandradio sehen schon kostenmässig große Vorteile in der digitalen Verbreitung. Das betrifft auch die Privaten, wird aber nur mit dem Ausstieg aus UKW wirksam. Zudem kann Deutschlandradio im DAB+-Bundesmux erstmals seiner Verpflichtung zur nationalen Verbreitung seiner Programme nachkommen, was über UKW wegen des Frequenzmangels unmöglich ist.
Die auf UKW etablierten Privatradios blockieren DAB+. Sie drohen der Politik mit dem Verlangen nach hohen Förderungen für eine angeblich extrem lange Umstiegsperiode von UKW auf DAB+. Zugleich behindern sie die Festlegung einer Umstiegsplanung und schieben den Umstieg damit auf den Sankt Nimmerleinstag hinaus.
Im Hintergrund spielt die auf etwa 30 Programme begrenzte und mittelfristig unter den Veranstaltern aufgeteilte UKW-Landschaft die Hauptrolle. Wer dort einmal etabliert ist, ist auf Jahrzehnte existenziell gesichert. Die stabile Wettbewerbssituation auf UKW kann nur verändert werden, wenn die Politik (wie in NRW) das Verlangen der Privatradios umsetzt und den ARD-Anstalten die Werbung verbietet. Deren Werbeumsätze wollen die Privaten unter sich verteilen.
Mit DAB+ wäre das Drei- bis Vierfache an Radioprogrammen möglich. Das wäre sinnvoll für die Hörer. Für die UKW-Platzhirsche ist mehr Wettbewerb ein Rotes Tuch und Grund genug, sich jeglicher Innovation zu verweigern.
DAB+ ermöglicht kostengünstige Sendekonzepte, wenn ein sehr begrenztes Verbreitungsgebiet gewünscht ist. Solche Techniken können (siehe Schweiz) so günstig angeboten werden, dass die Mehrkosten für ein etwas größeres als das gedachte Zielgebiet nicht ins Gewicht fallen.
Man kann nur hoffen, dass die sprunghafte Programm-Vermehrung innovative Radioformate hervorbringt und ihnen eine Existenz ermöglicht. Und nicht nur noch mehr Schlagerwellen - respektive sich wenig voneinander unterscheidende computergesteuerte Formatdiskotheken ohne Wortbeiträge.
Im Vergleich mit UKW könnte DAB+ 20 bis 30 Prozent der Verbreitungskosten (je Programm) einsparen, schon weil sich bis zu 15 Radios die Kosten eines Muxes teilen. Daher hat DAB+ die wesentlich effizientere Energiebilanz als UKW. Aus dieser Sicht gibt es zur Zeit nichts umweltfreundlicheres als DAB+.
Die (wirtschaftlich von den UKW-Auftraggebern abhängigen) Hörerforscher ignorieren die Digitalhörer. Das nutzt dem UKW-Establishment. Die nur digital verbreiteten Radios werden daran gehindert, ihre Reichweiten (auch im Vergleich mit UKW-Radios) zu ermitteln und die Werbepreise anzupassen.
Für DAB+ sprechen begleitende Dienste wie die Emergency Warning Function. Sie kann offizielle Notfall-Meldungen sogar auf abgeschaltete DAB+-Radios schicken. Nach bisheriger Erfahrung bricht der Mobilfunk im Notfall eher zusammen als die nicht lastabhängigen Broadcast-Netze. Damit könnte auch dem Umstand entegegen gearbeitet werden, dass manche Leute durch Verbreitung ungeprüfter Meldungen in den sozialen Netzwerken Verusicherung schaffen.
Die Verkehrsinformationen werden durch DAB+-Dienste schneller und detailreicher. Mit Navigationsdaten gekoppelt können z.B. Wege aus dem Stau zeitnah vorgeschlagen und visualisiert werden.
Das mobile Internet scheitert als Alternative für lineare Medienangebote (also Radio und Fernsehen) am Bedarf an Bandbreiten. Die hohen Investitionen dafür sind über Gebühren in vernünftiger Höhe nicht refinanzierbar. Für Abrufdienste ist der Mobilfunk hingegen eher geeignet.
Die medienpolitische und -wirtschaftliche Gesamtsituation lässt eine Branchen-Einigung (und sich daraus ergebenden Druck) für einen Umstieg von UKW zu DAB+ derzeit unmöglich erscheinen. Es sei denn, das würde durch ein Bundesgesetz erzwungen. Und zwar mit allen Konsequenzen - einschließlich eines UKW-Ausstiegstermins, Förderungen, Vorgaben für Endgeräte usw.
Man darf auf die Reaktionen der Radioveranstalter auf die 2017 zu erwartende Ausschreibung für den 2. nationalen Multiplex gespannt sein.



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Diese Seite wurde zuletzt am 11.04.2017 geändert.
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