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Digitalradio: Zwischenbilanz 2017 | |
Kein bisschen verflixtes siebtes Jahr! Fast.
Vor sieben Jahren gab es den Restart für das Digitalradio mit DAB+. Jetzt läuft das Projekt auf Hochtouren, wenn auch mit zwischenzeitlichen Aussetzern. Etliche Privatradios, lokal oder in größeren Maßstäben operierend, verbergen die Einsicht in die Notwendigkeit der digitalen Radio-Terrestrik noch hinter Forderungen nach Staatsknete. Denn den teuren Parallelbetrieb mit UKW (und den besgrenzten Wettbewerb dort) will man am liebsten aber gar nicht aufgeben.
Hier finden Sie einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse des für Digitalradio mit DAB+ höchst ereignisreichen Jahres 2017.
2017 - Ein Erfolgsjahr ...
Auf der Habenseite steht vor allem das vorbildliche Kooperationsprojekt des Bayerischen Rundfunks und der Privatradios in Bayern: Ein neues Netzstruktur-Konzept und Förderungen sorgem dafür, dass alle lokalen Privatradios schon 2018 auf DAB+ und im Simulcast mit UKW senden.
Übrigens nutzt auch Der NDR in seinen Flächenländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ein ähnliches technisches Konzept. Das könnte den dortigen Privatradios (es sind weitaus weniger als in Bayern) doch entgegenkommen?
In Sachsen stehen unterdessen zwei groß angelegte lokale Projekte mit Small Scale Technik vor dem Sendestart. In Rheinland-Pfalz läuft ein weiteres.
2017 haben die meisten ARD-Anstalten ihre DAB+-Sendenetze relativ umfassend ausgebaut, nur noch wenige Regionen empfangen keine öffentlich-rechtlichen Programme. Bei den Privatradios (Ausnahme Bayern) geht der Trend weniger in Richtung Netzausbau als zur Aufschaltung neuer Programme und einigen Abschaltungen. Jedoch laufen in
Berlin-Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland Vorhaben für Privatradios, die unterschiedlich weit gediehen sind.
Positiv - und nicht nur im Sinne der Privatradios und ihrer Werbefinanzierung - sollten sich die 2017 endlich begonnenen Reichweiten-Messungen auswirken. Sie liefern den Sendern Informationen über die Hörerzahlen, die Verweildauer am Radio usw. - nun eben auch für die digitale Verbreitung. Das war dringend nötig.
Interessant ist der Umstand, dass man jetzt im DAB+ „Feindesland“ Nordrhein-Westfalen bereit ist, die bisherige pauschale Verdammung von DAB+ infrage zu stellen. Offenbar sieht man sich durch den Trend zu DAB+ (der auch in NRW besteht) unter Handlungsdruck.
Bemerkenswert ist schließlich eine Entscheidung von Klassik Radio. Der seit 2011 im nationalen Mux vertretene Spartenkanal hat sich für einen Ausstieg aus der parallelen UKW-Verbreitung außerhalb von Großstädten entschieden.
Nicht zuletzt: Das werbliche Erscheinungsbild wurde mit einem neuen Logo, entsprechenden Marketingtools usw. aufgefrischt. Werbeaktionen gab es vor der IFA und zum Jahresende, während die Website www.dabplus.de nur der Weiterleitung auf die gehabt altbacken konzipierten digitalradio.de-Seiten dient.
... mit einem großen Fragezeichen und ...
Leider ganz schwierig ist im Dezember 2017 die Zukunft des zweiten Bundesmuxes geworden. Die Medienanstalten hatten sich nach ihrer Entscheidung im Juni für Antenne Deutschland - und einer (abgewiesenen) Klage eines unterlegenen Bewerbers - noch einmal mit der Zuweisung beschäftigt. Erst im November wurde díe offizielle Zuweisung für die Sendeplattform an Antenne Deutschland verschickt - ebenso wie die ablehnenden Bescheide an die beiden anderen Bewerber.
Die unterlegene Firma DABP des Leipziger Unternehmers Göpel hat sich für den Rechtsweg entschieden. Sie hat - vor dem Hauptverfahren - vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Das heißt: Richter werden kurzfristig und nach Aktenlage entscheiden, ob der Vollzug der Zuweisung ausgesetzt wird oder nicht. Urteilen die Richter im Sinne von DABP kann der zweite Bundesmux erst auf Sendung gehen, wenn ein rechtskräftiges letztinstanzliches Urteil vorliegt. Antenne Deutschland hatte bereits angekündigt, erst „unmittelbar nach Bestandskraft einer entsprechenden Zuweisung“ zu investieren und den Sendebetrieb vorzubereiten. Bis dahin kann es (mit oder ohne vorläufigen Rechtsschutz) Jahre dauern.
Bis dahin wird es (auch ohne vorläufigen Rechtsschutz für DABP) lange dauern - selbst wenn Antenne Deutschland in alle Instanzen obsiegt. So oder so scheint ein Sendestart des zweiten nationalen DAB+-Multiplexes im Jahr 2018 eher unwahrscheinlich. Damit würde ein wichtiger Treiber für die Attraktivität und weitere Entwicklung von DAB+ entfallen.
Dabei hatte Antenne Deutschland (zur Erinnerung: Ein Konsortium des Netzbetreibers Media Broadcast und des Radioanbieters Absolut Digital) agngekündigt, das Sendenetz im Schnellverfahren aufzubauen: Vom Start an würde man bundesweit Netz von 71 Standorten senden. Diesen Leistungsumfang hatte der erste Bundesmux erst nach fünf Jahren erreicht.
... dringendem Handlungsbedarf der Medienpolitik von Bund und Ländern
In Richtung genereller medienpolitischer Entscheidungen hat sich - auch wegen des Scheiterns des Digitalradio-Boards der Bundesregierung - nicht viel bewegt. Was die medienpolitische Seite betrifft bleibt es bei der Einschätzung, die dehnmedia vor zwei Jahren veröffentlichte:
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Es fehlt jegliche nationale Strategie für die Zukunft der Radioverbreitung. Ursache ist nicht nur der fehlende Konsens der Sender, Netzbetreiber, usw. Es fehlt der politische Wille, die Zukunft der linearen Rundfunkverbreitung zu gestalten (und zwar ohne, dass eine Lobby einflüstert, wie das zu tun wäre). Mit seiner Breitbandstrategie hat der Bund den linearen Rundfunk bisher sogar eher (und ganz im Sinne der Mobilfunk-Lobby) bekämpft.
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Die EU (Italien übrigens auch) ist auf bestem Wege, Deutschland bei einer Regelung für hybride Tunerkonzepte in Radios zu überholen. Das ergibt sich so nach mehreren Ablehungen durch die Bundesregierung. Dabei hätte Deutschland da vorbildlich sein können!
Politische Rückendeckung für die digitale Radiozukunft durch Bund und Ländern könnte beenden, dass in vielen Bundesländern die Landesrundfunkanstalten mehr oder weniger alleine die Digitalisierung betreiben (und dafür auch noch gescholten werden!). Die Aktivitäten von ARD und D-Radio bereiten - und nicht nur werbemässig - den Boden für die Akzeptanz von DAB+, ohne dass es die Privaten Geld kostet. Das zeigt das Beispiel NRW, wo die Lokalradios noch abseits abseits stehen. 2017 gab es sogar eine Medienkampagne der Landesregierung und der Landesmedienanstalt gegen DAB+.
Trotz dieser Blockadehaltung erreicht DAB+ laut Digitalisierungsbericht 2017 in NRW immerhin 14 Prozent der Bevölkerung! Zum Vergleich: Der Bundesschnitt liegt bei 15,1 Prozent. Der Zuwachs in NRW hält mit dem auf Bundesebene (jeweils plus 2,6 Prozent) Schritt!
Hier eine Zusammenfassung von Aktivitäten für DAB+ auf nationaler, Bundesländer- und internationaler Ebene:
Auf nationaler Ebene : |
Roadmap |
Der Versuch, aus allen Interessen eine Roadmap zu formulieren, ist leider gescheitert. Kurz vor einer Vereinbarung ist der VPRT als Vertretung der Privatradios ausgestiegen. Seither verhält sich der Verband eher unentschlossen. Mal gibt es entgegenkommende Äußerungen, mal abweisende.
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Bundesmux 1 |
2017 wurde die Reichweite mittels 10 neuer auf nun 120 Sendeanlagen ausgebaut. Das Sendenetz 2018 soll auf 99 Prozent der Autobahnen und für den Inhouse-Empfang auf über 90 Prozent erweiterter werden.
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Bundesmux 2 |
Ein Sendestart in 2018 scheint nach der Klage des unterlegenen Bewerbers DABP gegen die Zuweisung an Antenne Deutschland eher unwahrscheinlich. Wenn der Rechtsstreit alle Instanzen durchläuft, kann es bis Jahre bis zum Sendestart dauern.
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Hybridtuner |
Das Bundeskabinett hatte solches 2011 und 2016 abblitzen lassen. Jetzt sollen sie zumindest für hochausgestattete Radios Pflicht werden. Ob diese Novelle des Telekommunikationsgesetzes vom Mai 2017 Eingang in die Politik der neuen Bundesregierung findet, ist abzuwarten.
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In den Bundesländern : |
Baden-Württ. |
Das Kinderradio Teddy startete, ebenso nach etlichen Verschiebungen Antenne, Regenbogen2 und Rock Antenne. Schwarzwaldradio verabschiedete sich in den Bundesmux, VHR verschwand aus den Programmlisten.
Der SWR hat den angekündigten Sender Brandenkopf nicht in Betrieb genommen.
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Bayern |
Die Medienanstalt BLM, der Netzbetreiber BDR und der Bayerische Rundfunk führten im Sommer 2017 eine umfangreiche Neuorganisation der Sendenetze durch. Bisher fünf Regionalmuxe ermöglichen den Einstieg vieler privater Lokalradios, erreichen andererseits im Ausbauziel zusammen eine für den BR wichtige landesweite Versorgung. 2018 wird ein Mux geteilt, beide Nachfolger bekommen je sechs Lokalsender. Zwei neue Muxe kommen hinzu. Dann sollen alle bayerischen Lokalradios, auch dank Förderung, auf DAB+ senden.
Gleichzeitig baut der BR seinen landesweiten Multiplex weiter aus, in dem derzeit auch Antenne Bayern verbreitet wird.
Das Institut für Rundfunktechnik für weitere Tests mit Small Scale Sendetechniken durch.
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Berlin/Brandenb. |
Im Berliner Privatmux ersetzen Nice (nur bis Ende 2017) und MaxxFM Panjab und BHeins.
Die MABB will jedem der 24 Bewerber für DAB+ in Berlin bzw. Brandenburg „einen Platz in seinem Wunschbouquet zuweisen“. Der Berlin-Mux (Kanal 7B) wird neu zusammen gestellt und es soll einen Berlin/Brandenburg-Mux mit bis zu 15 Privatradios geben. Die Entscheidungen sind für Januar 2018 angekündigt.
Der RBB bringt nun endlich seine Programme mit DAB+ in die Brandenburger Fläche. Drei Standorte sind in Betrieb, zwei folgen im März 2018.
Die UKW-Nutzung ist in der Hauptstadt von 2016 auf 2017 übrigens um 10,2 auf 63,4 Prozent gesunken!
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Bremen |
Media Broadcast muss seinen Plattform-Multiplex gemäß den Auflagen „spätestens Anfang 2018 die Stadt Bremen und Anfang 2019 die Stadt Bremerhaven“ in die Luft bringen.
Radio Bremen versorgt jetzt auch Bremerhaven.
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Hamburg |
FFN, Radio Hamburg und Hamburg 2 komplettieren die private Programmplattform.
Kurz nach dem Sendestart der Schwesterprogramme Alsterradio und 917xfm wurden Lizenzen für Peli One und Tide Radio erteilt. Im Januar wird Alsterradio in Rock Antenne Hamburg umbenannt.
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Hessen |
Lulu FM startete im Multiplex der Privatradios.
Der Sendestandort Hardberg wurde mehrfach verschoben, zuletzt war von einem Einspruch Frankreichs die Rede. Im November wurde ein Wechsel von K 11C auf K 12C orakelt.
Die Medienanstalt LPR beschäftigte sich mit einem Projekt für ein Sendenetz im Norden und Osten des Bundeslandes. Entscheidungen gibt es noch nicht.
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Mecklenb.-Vorp. |
Ein Call for Interest erbrachte immerhin sechs Stellungnahmen für das am dünnsten besiedelten Bundesland mit nur wenigen Privatradios und dem schlechtesten Verhältnis zwischen Sendekosten und erreichbaren Hörern. Die Medienanstalt kündigte daraufhin eine Ausschreibung an.
Der NDR hat sein Sendenetz erweitert und will es 2018 ausbauen.
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Niedersachsen |
Ein zweijähriges Testprojekt untersucht seit Ende 2015 technische Optionen für den Lokalfunk. Erste Erkenntnis: lokale Auseinandersschaltungen in Gleichwellennetzen sind derzeit technisch nicht realisierbar.
Der NDR hat sein Sendenetz erweitert und will es 2018 ausbauen.
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NRW |
Nach konsequenter Ablehnung von DAB+ durch Lokalradios, Landesmedienanstalt und Landesregierung hat der neue Direktor der LfM das Ende von Denkverboten gefordert: Wer DAB+ ignoriert riskiere seine Existenz - selbst, wenn DAB+ sich nur als Zwischenlösung erweise. Ein paar Tage später ließ der Lokalradio-Verband VLR verlauten, man könne und wolle sich nicht von DAB+ abschotten. Beide forderten den Schutz des Lokalfunks auch in einem digitalen Modell sowie Fördermittel.
Das Kooperationsprojekt des WDR mit Privatradios endet 2019. Zwar wird das nur von Domradio genutzt. Wenn sich aber bis dahin nichts tut, muss der katholische Sender die digitale Verbreitung verlassen.
Der WDR avisiert einen umfangreichen Netzausbau.
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Rheinland-Pf. |
Vom Kirchturm in Bretzenheim sendet Domradio Nahe mit Small Scale Technik. Die Medienanstalt LMK duldet das Projekt für sechs Monate. Eine Ausschreibung könnte folgen.
Als zweites Privatradio nach BigFM ist RPR1 im SWR-Kanal zu empfangen.
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Saarland |
Überraschend groß war das Echo auf einen Call for Interest. „Mindestens elf Hörfunkprogramme“ sowie drei Interessenten an einer Programmplattform meldeten sich. Die Medienanstalt LM Saar kündigte daraufhin eine Ausschreibung an. Jedoch müsse zuvor das Landesmediengesetz geändert werden.
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Sachsen |
Mit einer Ausnahme werden alle Bewerber für die Small Scale Pilotprojekte in Leipzig und Freiberg zugelassen, darunter eines nachträglich. Zum Sendenetzbetreiber wurde der DAB+-Neuling Divicon berufen. Der Sendestart verschiebt sich auf 2018.
Das Pilotprojekt mit dem Privatradio RSA im MDR-Mux wurde bis Februar 2018 verlängert. Schon nach nur neun Monaten nutzten „15 Prozent der R.SA-Hörer überwiegend DAB+“.
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Sachsen-Anhalt |
Die Medienanstalt MSA verlängerte alle Zulassungen der in DAB+ vertretenen Radios. Die Ausschreibung eines 7. Programmplatzes wurde angekündigt.
Das Regionalisierungsprojekt „Dynamische Rekonfiguration“ wurde bis zum 30. September 2018 verlängert. Jetzt beteiligt sich auch Radio Brocken mit Auseinanderschaltungen für Halle, Magdeburg und Dessau.
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Schleswig-Holst. |
Es ist das einzige Bundesland, aus dem keine Aktivitäten zu DAB+ für private Programme bekannt sind, ob auf Landes-, regionaler oder lokaler Ebene.
Der NDR hat sein Sendenetz erweitert und will es 2018 ausbauen.
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Thüringen |
Die Medienanstalt TLM forderte die Landesregierung auf, Fördermöglichkeiten für den DAB+-Einstieg privater Radios zu schaffen.
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| Anmerkung : Mehr zu Netzen und Programmen auf den Länderseiten und der Änderungsliste.
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Auf internationaler Ebene: |
EU |
Die EU bringt die Mitgliedsstaaten mit einer Initiative für Multituner unter Druck. Höherwertige Radios müssen UKW und digital empfangen können. Ein Stichtag wird nicht genannt.
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Norwegen |
Die Skandinavier haben als welt weit erstes Land am 13. Dezember ihre wichtigsten nationalen und regionalen UKW-Sender abgeschaltet.
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Italien |
Der Netzbetreiber RAS hat in Südtirol mit ersten Abschaltungen von UKW-Sendeanlagen begonnen.
Ab 2020 dürfen nur noch Hybridradios verkauft werden.
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Schweiz |
Im Nachbarland wurde der Plan, alle UKW-Sender zwischen 2020 und 2024 außer Betrieb zu nehmen, durch verschiedene staatliche Maßnahmen flankiert.
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