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Zankapfel Radiodigitalisierung (1/3)

DAB-Logo Seit den 90er Jahren basteln die Landesmedienanstalten und andere Interessierte an der Digitalisierung des Hörfunks. Im Kern der Überlegungen stand dabei immer Digital Audio Broadcasting (DAB), auch wenn es zeitweise überhaupt nicht nach einer erfolgreichen Etablierung am Markt aussah.

Ab 2008 kam aber wieder Land in Sicht für diese Sendetechnik, deren Kürzel schon hämisch mit „Dead And Buried“ (tot und begraben) gleichgestellt wurde. Buchstäblich auf den letzten Drücker gelang Ende 2010 das unmöglich Scheinende: Deutschlandradio, Privatsender, Netzbetreiber, Medienpolitik und Regulierer einigten sich auf einen neuen Anlauf. Ein bundesweiter DABplus-Multiplex ging am 1. August 2011 auf Sendung.

Das kann, wenn es erfolgreich wird und zeitnah die Digitalisierung landesweiter, regionaler und lokaler Programme nach sich zieht, nicht nur Impulse für die bisher nicht geschaffte Radiodigitalisierung auslösen. Vor allem die Hersteller setzen auf die Signalwirkung aus Deutschland. jedoch konnten DAB bzw. DAB+ zumindest bis etwa 2010 europaweit kaum eine signifikante Verbreitung finden. Am Markt hatte sich diese Sendeplattform fürs Radio bis dahin nur in England und der Schweiz platzeiren können.

Das ursprüngliche DAB war schon auf der Funkausstellung 1995 offiziell gestartet worden, ein Vorgang, der sich unter wechselnden Bezeichnungen (Digitalradio, T-DAB) später mehrfach wiederholte. Gleichwohl blieb DAB in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Bis Ende 2004 - also nach knapp zehn Jahren - waren nach Schätzungen der Landesmedienanstalten nicht mehr als 40.000 Geräte verkauft worden. Kein Vergleich mit dem in 50 Jahren gewachsenen Bestand von Millionen Stereoanlagen, Uhrenradios, Henkelmännern, Autoradios und inzwischen auch Smartphones, PC- und Multimediageräten mit UKW-Empfang.

DAB mit erheblichen Mängeln im System

DAB-Start auf der IFA 1995 - der erste Versuch







Erster Start für DAB auf der IFA 1995. Am Drücker: Eberhard Diepgen (Regie-render Bürgermeister), Bundeswirt-schaftsminister Günter Rexrodt, Telekom-Chef Ron Sommer und Bundespostminister Wolfgang Bötsch(v.l.n.r.). Foto: Messe Berlin.
Die nicht stattgefundene Markteroberung des digitalen Hörfunks hat eine Ursache im Fehlen des Mehrwerts der neuen Technik, der - über den CD-Sound hinaus - einen Kaufanreiz bieten könnte. Prinzipiell bietet diese Übertragungstechnik nicht nur eine Plattform für den Hörfunk. Es besteht die Möglichkeit, ergänzende Dienste mit zu übertragen. So war beispielsweise schon in den Frühzeiten von DAB von Grafiken (z.B. aktuellen Staukarten) als Ergänzung zum Verkehrsfunk die Rede. So sollte die neue Technik attraktiv werden. Das schlug jedoch komplett fehl. Die neuen Dienste waren außerhalb von Messen nie zu sehen.

Dazu kamen weitere schwerwiegende Hindernisse: So war die zulässige Sendeleistung zu gering, um eine ausreichende Radioversorgung in Gebäuden zu gewährleisten. Zuhause und im Büro wird Radio aber zumeist gehört. Außerdem ist die geringe Kapazität nicht geeignet, die bestehende UKW-Landschaft in digitale Zeiten mitzunehmen. Auch die Verteilung auf das VHF- und das davon weit entfernt liegende L-Band und die dafür notwendigen damals teuren Zweiband-Empfänger trug nicht zur Attraktivität bei.

Vor allem aber hat es immer an einer gemeinsamen Einführungsstrategie gefehlt, um das 1998 formulierte Ziel, UKW bis 2015 zu ersetzen, zu verwirklichen. Diverse DAB-Marketingkampagnen konnten die mangelnde Einigkeit aller Beteiligter (private und öffentlich-rechtliche Veranstalter, Netzbetreiber, Hersteller, Landesmedienanstalten usw.) nicht überspielen.

Radio ...
... steht nach wie vor hoch in der Gunst. Jeder dritte Deutsche hört täg-lich bis zu 421 Minuten (also 7 Stunden!) Radio, so eine Untersuchung von ARD Sales & Services (Jan. 2006. Der Durch-schnitt liegt bei 206 Mi-nuten. Statistisch gese-hen ist das Radio also ein attraktiver Markt.

DAB wird zu DABplus weiter entwickelt

DABplus-Logo Schriftzug Natürlich wurde die Technik seit 1995 weiter entwickelt: Die multimedialen Möglichkeiten von DAB, zum Beispiel die Verkopplung mit Grafiken und Videos, wurden wesentlich erweitert. Dies wurde im Standard Digital Multimedia Broadcasting (DMB) zusammengefasst. Allerdings scheiterte auch ein DMB-Dienst für mobiles Fernsehen („Watcha“ von Debitel/MFD), kommerziell vermarktet ab Mai 2006, am geringen Programmangebot. DMB-Pilotprojekte gab es 2006 in Berlin, München und Regensburg. Mit DVB-H wurde eine Variante von DVB-T speziell für kleine mobile Empfangsgeräte wie Handys oder PDAs entwickelt, die in Deutschland ebenfalls scheiterte.

Einige der Hemmnisse für DAB konnten indessen beseitigt werden. Sie greifen aber erst mit der DABplus-Einführung. Europaweit ist nun das gesamte VHF-Band für den digitalen Hörfunk eingeplant, das L-Band wurde dafür aufgegeben. Außerdem gab die Bundeswehr Vorbehalte über Störungen ihrer VHF-Frequenzen durch Radiosendungen auf; damit konnten die Sendeleistungen erhöht werden, um den Empfang in Gebäuden zu verbessern.

Aber auch mit DAB selbst ging es weiter: Es wurde zu DABplus ausgebaut. MPEG-2 wurde durch MPEG-4 ersetzt und damit die Zahl der in einem Frequenzblock übertragbaren Programme wesentlich erhöht. Und zumindest auf Messen kommen wieder neue Dienstleistungen ins Gespräch. Die beschäftigen sich vor allem mit dem Thema Verkehr und können z.B.. Satellitennavigation nutzen, um entsprechend der aktuellen Verkehrslage Staus zu umfahren oder bieten auf Basis von Webinhalten touristische Informationen oder Parkplatzlenkung an.

Programm machts
„Ohne die starken Programm-Marken der privaten und öffent-lich-rechtlichen Veran-stalter wird sich kein Gerät verkaufen lassen. Der Zugang zum Markt funktioniert nur über die Pro-gramme und Marken. Denn Digitalradio an sich ist kein Wert.“

Prof. Ulrich Reimers. Foto: Dehn Michael Rei-chert, Leiter des nationalen Projektbüros Digitalradio.
Quelle: Projektbüro.
DAB kommt zurück - aber Technik allein bringt's nicht

Die mangelnde bzw. nicht vorhandene Akzepanz für den digitalen Hörfunk mit DAB-Sendetechnik veranlasste schließlich die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), einen Schlußstrich zu ziehen. So erlebten die Öffentlich-rechtlichen ihren Radio-Rückschlag. Die KEF hatte DAB im Juli 2009 auf ihre Art vorläufig beerdigt: Sie sperrte für ARD und Deutschlandradio Entwicklungsgelder in Höhe von 166 Mio. Euro. Eine Perspektive für DAB sei nach mehr als zehn Jahren der Einführungsbemühungen nicht nachzuweisen. Das erst recht, weil sich zeigte, dass die großen Privatradios nicht mitziehen würden. Nach diversen von der KEF zitierten Schätzungen wurden seit 1998 nicht mehr als 546.000 DAB-Geräte verkauft. Desweiteren stiegen nach dem Ende von Fördermaßnahmen viele Veranstalter aus dem Angebot aus - im Juli 2009 waren Privatsender nur noch in der Hälfte der Bundesländer in der DAB-Luft.

Zwei Wochen zuvor hatte der VPRT, in dem die großen Privatsender organisiert sind, seinen Sargnagel eingeschlagen: Der VPRT erteilte DAB/DABplus eine Absage. Das System und seine Eigenschaften seien „nicht marktgetrieben“, die Kosten zu hoch. Damit zogen sich die großen Radio-Veranstalter zurück.

Die mangelnde Bekanntheit von DAB führte letztlich dazu, dass vor allem private Radios nach dem Auslaufen von Förderungen aus dieser Verbreitung ausstiegen. Dem folgten zum Teil (und auch wegen der KEF-Sperre) ARD-Anstalten. So beendete der RRB sein DAB-Engagement im Januar 2010. In der Hauptstadtregion ist DAB damit fast komplett aus der Luft. Die Medienanstalt Berlin Brandenburg, die schon 2004/2005 einen „neuen Ansatz“ für die Radiodigitalisierung zur Diskussion gestellt und ein Radioprojekt via DVB-T gestartet hatte, kommentiert Anfang 2010 die Situation so:
MABB Die mabb hat die technische Erprobung von DAB innerhalb eines Pilotprojekts in den Jahren 1995-1998 finanziell gefördert, und auch Zuschüsse zur Verbreitung privater Programme im Regelbetrieb über DAB gegeben. Von vornherein haben sich nicht alle privaten Veranstalter beteiligt, inzwischen haben jedoch alle ihre Lizenz zurückgegeben. Die mabb hat daraufhin dem Sendernetzbetreiber Media-Broadcast die Möglichkeit eingeräumt, neue Angebote unter eigener Verantwortung zu erproben. Dies hat zu keiner wesentlichen Veränderung der Problematik geführt, dass DAB bisher nur wenige Verbraucher überzeugt.

So schien Ende 2009 DAB ein weiteres Mal „Dead And Buried“. Und die Digitalisierung des Radios überhaupt - geschweige denn bis 2015 - rückte in weite Ferne. Die digitale Zukunft für das Radio war wieder offen. Aber die Geschichte geht weiter.

Links zum Thema:
„Überlegungen zu einem Konzept für die zukünftige Gestaltung des terrestrischen Hörfunks in Deutschland“ - Diskussionspapier der Landesmedienanstalten vom November 2006.
„Neuer Aufbruch für digitales Radio und mobile Multimediaangebote – Aufgabe des bisherigen DAB-Ansatzes“ - Papier des Medienrates der MABB vom 23.11.2004. / Presseinfo der MABB vom 25.8.2005.
Was bringen DMB und DVB-H? Vortragsfolien von W. Berner (LfK), 27. Juli 2005.
Presseinfo der Landesmedienanstalten zu DMB-Projekten vom 6. Juli 2005.
IFA-Nachrichten (2005) auf dieser Website.
Hintergrundartikel auf dieser Website zum Handy-Fernsehen.
Presseinfo der LMK Rheinland-Pfalz (21.11.05) zur Machbarkeitsstudie (pdf) für digitalen UKW-Hörfunk.
Infos über HD Radio in der Schweiz.
Presseinfo der IMDR zu MEPG-4 für DAB vom 8.11.2006.
Presseinfo der MABB zu Digitalradio und mobile Multimedia vom 23.11.2004.

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