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Digitalradio: Small Scale DAB+ für Lokalradios (1/2) | |
Verschiedene Begriffe, die letztlich Gleiches meinen: Small Scale DAB steht für die digitale Radioverbreitung im kleinen Massstab - zugeschnitten auf die verbreitungsmässigen Bedürfnisse wie auch die finanziellen Grenzen lokaler Radios. Möglich wird das durch Software Defined Radio (SDR) - d.h. kostenlose Software auf Senderseite.
Das technische Konzept basiert auf Software, die von dem kanadischen CRC-Team auf Basis der Programmiersprache Linux entwickelt wurde. Das Schweizer Projekt Open Digital Radio (ODR) setzte diese Arbeiten fort. Die Software-Komponenten für Encodierung, Multiplexing und Modulation unterliegen dem Nonprofit-Prinzip von Open Source - stehen also kostenlos zur Verfügung. Das drückt die Kosten stark und trifft die Interessen der schwierig refinanzierbaren Lokalradios im Kern.
SDR, wenn möglich im Verein mit Kleinleistungssendern, bietet sich wegen der geringen Kosten und der Justierbarkeit der Versorgungsgebiete vor allem für lokale Radiostationen an. Einsetzbar wäre das Konzept unter bestimmten Bedingungen auch als Lückenfüller: Wo das Sendegebiet begrenzt ist - z.B. auf Helgoland - könnten alle Anbieter ein gemeinsames Small Scale Konzept einem der sonst üblichen teuren Großsender vorziehen.
Der Deutschland-Erfolg des von der schweizerischen Digris AG zur Praxisreife gebrachten Konzepts hängt freilich davon ab, ob die lokalen Radios das für ihre jeweilige Situation geeignet finden und natürlich auch von der Finanzierung und den Fördermöglichkeiten. Weil die Medienpolitik in Deutschland Sache der Bundesländer ist, könnte es im Zweifelsfall zu 16 unterschiedlichen Lösungen kommen.
DAB+ für Lokalradios - gegensätzliche Positionen in Bayern und NRW.
Aus dieser Erkenntnis heraus wies Joachim Lehnert, Leiter der technischen Abteilung der Medienanstalt LMK hin: Die Möglichkeit eines Plattformkonzepts wäre gerade auch für lokale und regionale Versorgungen wünschenswert: Dafür fehle jedoch (womöglich nicht nur) in Rheinland-Pfalz eine Regelung im Landesmediengesetz.
Es gibt noch einen interessanten medienrechtlichen Aspekt: §40 des Rundfunkstaatsvertrages (20. Bovelle, inkraft seit dem 1.9.2017) öffnet (in Zusammenhang mit dem jeweiligen Landesrecht) gestattet den Landesmedienanstalten,
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die Förderung von landesrechtlich gebotener technischer Infrastruktur zur Versorgung des Landes und zur Förderung von Projekten für neuartige Rundfunkübertragungstechniken
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zu betreiben. Das nutzen z.B. Bayern und Sachsen für ihre Lokalradios reichtlich aus. Diese Regelung ist allerdings nur bis Ende 2022 befristet; eine Verlängerung wäre wünschenswert.
Deutschland (1): Rheinland-Pfalz (LMK-Sender; 2014 ff.)
Die Medienanstalt LMK und die Hochschule Kaiserslautern hatten seit 2008 gemeifeinen dreinsam digtiale Kleinleistungssender entwickelt, 2017 wurde ein auf SDR aufsetzender mobiler DAB+-Kleinsender ODR2go vorgestellt und zum Nachbau freigegeben. Der Server der LMK sendet seit Dezember 2017 im Rahmen eines Projekts mit deutschsprachigen Sendern aus dem belgischen Eupen.
Deutschland (2): Rheinland-Pfalz (Studio Nahe ab 2017, Plattform ab 2021)
Domradio Studio Nahe war das erste lokale Radio in Rheinland-Pfalz, das Interesse für die LMK-Technik zeigte. Seit August 2017 wird (zunächst als medienrechtlich geduldeter Test) für ein halbes Jahr mit der Technik eines anderen Anbieters gesendet. Nach der Aufnahme technischer Projekte in das Mediengesetz konnte der Versuchsbetrieb ab April 2019 für zwei Jahre wieder aufgenommen werden. Daran schließt sich ein nun fünfjähriger Versuch mit einer Programmplattform an, so dass mehr Radios (7/2021: sieben) senden können.
Deutschland (3): Nichtkommerzieller Mux für Rostock
Erst- und einmalig ist das Vorgehen in Mecklenburg-Vorpommern. Die Ausschreibung einer nichtkommerziell zu betreibenden Plattform für ausschließlich nichtkommerzielle Programme im Raum Rostock führt zur erwarteten Zuweisung an den Kulturnetzwerk e.V., der sein lokales Freies Radio LOHRO im Juli 2022 auf Sendung brachte. .
Hintergrund: SDR an der Ostsee.
Deutschland (4): Stadtmuxe in Sachsen (Tests ab 2018, Regelbetrieb ab 2020)
Gut Ding will Weile haben - ein Jahr dauerte es von einem Grundsatzbeschluß der sächsischen Medienanstalt SLM bis zur Ausschreibung eines Pilotprojektes mit Small Scale Sendetechnik für Leipzig und Freiberg.
„Die Multiplexe sollen nach Möglichkeit noch in diesem Sommer auf Sendung gehen“, hieß es anlässlich der Ausschreibung Anfang März 2017. Die Medienanstalt meldete mit 15 Bewerbungen für Leipzig und 13 für Freiberg ein überwältigendes Interesse. Im Januar 2020 gingen beide Multiplexe in den Regelbetrieb.
Vom Interesse her könnte man sogar einen dritten Multiplex füllen, verlautete frühzeitig aus der SLM. Das führte im Oktober 2019 zu einer Versuchsausschreibung für Chemnitz. 13 Programme hatten sich damals beworben. „Telekommunikationsrechtliche Probleme für einen Versuchsbetrieb“ veranlassten die SLM jedoch, die Ausschreibung im Juni 2020 aufzuheben und - vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus Leipzig und Freiberg - nunmehr einen Regelbetrieb einzuleiten. Ende 2020 wurden zehn Zulassungen vergeben, der Start lässt jedoch wegen der Frequenz-Zuteilung auf sich warten.
Deutschland (5): Test und Pilot in München (2016 ff.)
Das Institut für Rundfunktechnik (IRT) in München hat 2016 die ODR-Software mit passender Hardware getestet und die Ergebnisse im November 2016 vorgestellt. Dabei wurden erfolgreich zwei DAB- und drei DAB+-Programme ausgestrahlt. Die vom IRT genutzten Geräte des 100 Watt-Senders haben 10.830 Euro gekostet. Die Anschaffung einer vergleichbaren Sendeanlage üblicher Bauweise würde laut IRT 60.000 Euro kosten.
Wichtig scheint ein Hinweis von IRT-Mitarbeiter Andreas Sieber zur Auswahl von Standorten: „Die Antennenhöhe ist wirklich entscheidend. Sie können die Anlage nicht auf niedriger Antennenhöhe montieren und einfach nur die Leistung aufdrehen.
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Alles im einem Rack: Der Kleinleistungssender des IRT. Foto: IRT |
Das bringt nicht allzuviel.“
Die Pilottests wurden ab Februar 2017 fortgesetzt. Wieder im Kanal 8A sollte die 100 Watt-Sendeanlage im praxisnahen Dauerbetrieb und und im Gleichwellenbetrieb mit anderen (auch üblichen Hochleistungs-) Sendern getestet werden. Gesendet werden zwei Schleifen mit GEMAfreier Musik.
Deutschland (6): Test in Stuttgart (2015)
Die Technik der Eidgenossen kam im Frühjahr 2015 in Stuttgart zum Testeinsatz. Dort ging es um das Konzept „Lowpower, Lowtower“ - d.h. die Versorgung eines Stadtgebietes mit in eher geringer Höhe platzierten Kleinleistungssendern. Der Abschlußbericht fasst die Erkenntnisse zu Stärken und Schwächen zusammen:
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Niedrige Senderstandorte in Verbindung mit Sendern geringer Leistung (200 W). bringen im Stadtgebiet im Umkreis von ca. 3 km um den Sender eine ausreichende DAB+-Versorgung in Gebäuden. |
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Bei der subjektiven Empfangsbeurteilung schneidet der Kleinleistungssender deutlich schlechter ab als die Hochleistungssender. Die Testpersonen bewerteten den Empfang des Kleinleistungssenders an 50 % der Testpunkte schlechter als den der Hochleistungssender – bei gleichem Fehlerschutz (EEP 3-A, r = ½). |
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Man made Noise führt innerhalb von Gebäuden zu großen Störfeldstärken (bis zu 50 dBµV pro Meter). Ursache hierfür sind vor allem elektronische Kommunikationsgeräte aller Art. |
• | Für eine hohe Orts- und Zeitwahrscheinlichkeit für guten DAB-Empfang in Gebäuden sind sehr hohe Planungsfeldstärken (> 80 dBµV/m) im städtischen Bereich erforderlich. Gründe hierfür sind neben man made Noise die heute üblichen Wärmedämmungsmaßnahmen bei Fenstern und Wänden. |
Nach entsprechender Technikplanung könnten solche sendetechnischen Konzepte „verhältnismässig preisgünstig“ realisiert werden. Zu kalkulieren seien aber auch die Kosten für Aufbau und Miete am Standort, Energie und Programmzuführung usw.
Deutschland (7): Baden-Württemberg - von der Idee zum Projekt?
Immerhin rund vier Jahre dauerte es, bis die Stuttgarter Tests etwas auslösten. Nachdem drei Nichtkommerzielle Radios Anfang 2019 ihren Platz im landesweiten DAB+-Mux räumen mussten, wurde die Forderung nach einem eigenen Multiplex für Nichtkommerzielle, Campus- und Lernradios laut. Im April 2019 kündigte die Medienanstalt LfK vor Radioveranstaltern Betriebsversuche mit Small Scale Technik an. Ein angebliches erstes Projekt für Tübingen wurde bis Ende 2021 nichtbekannt. Stattdessen meldete sich 2019 der neue Netzbetreiber Regionalradio BW mit einer Initiative zu Wort. Ein halbjähriger Test mit drei Sendern im Gleichwellenbetrieb begann Anfang Juli 2022.
Deutschland (8): Tests im Saarland in der Diskussion
Anfang 2017 verhandelte die Saar-Medienanstalt SLM mit Programmveranstaltern über ein Small Scale-Testprojekt im Raum Merzig/Mettlach. Der Medienunternehmer Herzog brachte sich im März 2018 mit dem Projekt einer landesweiten Small Scale Plattform ins Gespräch. Ein solches Projekt scheint wegen Installation eines landesweiten Multiplexes für Privatradios ab 2019 zunächst beiseite gelegt.
Deutschland (9): Gegen die NRW-Wellenbrecher
Eine Gruppe von neun Radioveranstaltern um TopstarRadio und Antenne Pulheim brachte sich Anfang 2017 mit dem „Rheinlandmux“ - einem Lowcost-Sendekonzept für Köln und Umgebung - ins Gespräch. Die klickbare Karte zeigt eine mögliche Reichweiten-Konfiguration. Die Initiatoren stellen sich gegen die 45 kommerziellen Lokalradios in Nordrhein-Westfalen, die von den Zeitungsverlagen kontrolliert werden. Landesmedienanstalt LfM, Landesregierung und Landtag lehnen (auch nach dem Wechsel der Mehrheit von der SPD zur CDU in 2017) Veränderungen der Radiolandschaft unterhalb der Landesebene ab, weil diese den etablierten Lokalradios neue Wettbewerber bringen würde.
Im September 2017 stieß LfM-Direktor Tobias Schmid die DAB+-Debatte neu an. Es hatte sich gezeigt, dass immerhin 14 Prozent der NRW-Haushalte bereits DAB+-Radios besitzen. Schmid, und wenig später auch der Lokalradio-Verband VLR, rieten den Lokalradios, ihre bisherige Abschottungsstrategie aufzugeben. Man könne NRW nicht isoliert von den anderen Bundesländern betrachten und müsse DAB+ zumindest überprüfen.
Im April 2018 wurde ein Positionspapier des VLR vorgelegt. Den Rückzug aus der Verweigerungshaltung ergänzt der Verband um ein Forderungspaket. U.a. sollen umfangreiche Testbetriebe regionaler Multiplexe durchgeführt werden, auch mit Blick auf die Kosten von DAB+. Dazu heißt es u.a.:
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Eine Möglichkeit zur Senkung der Kosten einer DAB+ Verbreitung ist die Verwendung der sog. 'Open-Source' Technik, die erhebliche Einsparungen gegenüber kommerzieller Sendetechnik verspricht ... Vermutlich ist sie für den Betrieb von regionalen DAB+ Multiplexen geeignet.
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Anfang 2019 war von Small Scale-Projekten nicht mehr die Rede. Der Veranstalter Mehr!Radio reichte bei der Landesregierung eine Beschwerde ein, weil sein Vorschlag eines Ballungsraumsenders ignoriert wurde.
Deutschland (10): Techniktest in NRW
Einem rührigen Netzbetreiber gelang es, einen Testmux - begrenzt auf einen kleinen Teil der Eifel - in Gang zu bringen. Da es sich um einen rein technischen Probetrieb handelt, dürfen nur Testsignale, keine Radioinhalte, verbreitet werden.
Dass ausgerechnet in NRW ein SDR-Projekt Platz geplant ist, überraschte Ende Juni 2020. Für den Standort Kall-Krekel beantragte der Sendetechnik-Dienstleister Milling Broadcast Services für sechs Monate einen technischen Test bei der Bundesnetzagentur. Dafür wurde der Block 10D mit 1,5 kW Sendeleistung koordiniert. Die Sendungen begannen am 11. September 2020. Weil technische Testsignale, aber keine Radiosendungen, verbreitet werden, handelt es sich medienrechtlich nicht um Radio sondern um einen Versuchsfunk. Daher ist die NRW-Medienanstalt nicht einbezogen.
Veranstalter Christian Milling will erproben, wie sich DAB+ in der Eifel macht, wo Funklöcher für UKW wie den Mobilfunk häufig sind. Er zielt damit auf die lokalen Radioanbieter aus NRW wie den Nachbarn aus Rheinland-Pfalz und Belgien. Das Verfahren soll die „Grundlagen schaffen, damit auch lokale und regionale Radiosender, insbesondere in ländlichen Gebieten mit vertretbarem finanziellen Aufwand in das Thema DAB+ starten können“. Milling will vor allem die Kompatibilität seiner Lösung (die auch beim Studio Nahe in Rheinland-Pfalz und in den Niederlanden eingesetzt wird) mit Empfangsgeräten erproben. Auf der Testliste stehen außerdem auch die Integration programm begleitender Daten und Schnittstellen zur Automatisierungstechnik der Programmveranstalter.
Deutschland (11): Keine Small Scale-Plattform für Bremen
Im Sommer 2017 kam Small Scale kurzzeitig für eine regionale Plattform in Bremen ins Gespräch. Die Stadtmusikanten Radioservices UG i.G. hatte sich dort beworben. Das ist ein Konsortium der Central FM Media und von Lulu.fm. Alle Firmen haben ihren Sitz in NRW (Pulheim bzw. Köln). Weil sie im eigenen Bundesland derzeit keine Chance haben, müssen sie anderswo aktiv werden.
Das Unternehmen verwies auf eine ausreichende Zahl interessierter Programme. Die Sendetechnik sollte NanoCorp liefern, eine Schwesterfirma von CentralFM. Deren leistungsfähige und kostengünstige Produkte sowie Senderstandorte auf Hochhäusern statt Funktürmen sollten die Kosten drücken. Die Forderungen der BreMa zum Netzausbau wollte man schneller erfüllen und Bremerhaven schon ab drei Monaten nach Sendestart versorgen. Aus der Ausschreibung ging Media Broadcast Ende August 2017 mit einem klassischen Technik-Konzept hervor.
Alternatives Konzept? Der Multiplex aus der Cloud
Das polnische Sendetechnik-Unternehmen Bcast bietet mit DABcast ein weiteres alternatives und stark softwareorientiertes Konzept. Radioinhalte aus diversen Quellen werden in der Cloud mit der Anwendung Virtual Studio zusammengeführt, dann mit der App Mux auf DAB+ formatiert und in einem Multiplex gepackt. Der Workflow endet in der Hardware-Komponente TX Transmitter für die Ausstrahlung auf der gewünschten Frequenz. Auch dieses Verfahren verspricht - vor allem unabhängigen und kleinen Radios - eine kostengünstige Verbreitung via DAB+. Laut Bcast ist es - nach vergleichsweise geringen Anpassungen - auch für künftige Sendetechniken geeignet.
Weitere Informationen:
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