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DAB+: Digitalradio in Straßentunnels | |
In Tunnels ist Funkempfang nicht ohne Weiteres möglich. Schuld ist die Physik - Funkwellen reichen nicht überall hin. Physik leistet aber auch Abhilfe: Tunnelfunkanlagen machen das Defizit für den Mobilfunk, den Betriebs- und Einsatzdienste und eben auch den Hörfunk wieder wett. Das macht Sinn - für einen unterbrechungsfreien Musikgenuss ebenso wie im Katastrophenfall. Erst recht digital. Dringender Renovierungsbedarf besteht allerdings bei der RABT-Richtlinie.
In Deutschland gibt es nach Angaben des Bundes um die 400 Straßentunnel mit einer Gesamtlänge von etwa 350 Kilometern. Davon werden mehr als 260 (Gesamtlänge: 263 km) den Bundesfernstraßen zugerechnet. Längstes Bauwerk ist der Rennsteigtunnel in Thüringen mit knapp 8 km Röhrenlänge. Die meisten - nämlich über 80 - Tunnel in Bundesfernstraßen hat Baden-Württemberg.
Verkehrsfunk ist Pflicht im Tunnel, aber ...
Die „Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln“ (RABT) geben u.a. vor, dass in Straßentunnels über 400 Metern Länge mindestens ein Radioprogramm mit Verkehrsfunk empfangbar sein muss. Diese Pflicht wird 2019 üblicherweise durch die Einspeisung von UKW-Programmen mittels Tunnelfunk erfüllt.
Die RABT gehen offenbar davon aus, dass bei kürzeren Tunnels die Funkeinstrahlung von außen für die gesamte unterirdische Strecke ausreicht.
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Das Foto verlinkt einen ARD-Film über die Sicherheit und eine Notfall-Übung beim Rennsteig-Tunnel. |
Zumindest in Einzelfällen könnte das auch in längeren Bauwerken funktionieren. So teilt der Betreiber der 760 Meter langen Rostocker Warnow-Tunnels auf Anfrage von dehnmedia u.a. mit:
| Der Tunnel wird direkt vom Sender Rostock Toitenwinkel (Krummendorf, Kirchsteig) versorgt. Auf Grund der „geografischen Nachbarschaft“ zum Warnowtunnel ist die Sendeleistung so stark, dass keine zusätzlichen Maßnahmen für den Tunnel nötig sind. |
Funktechnik für den Notfall - auch im Tunnel
Oft zeigen Zusatzschilder „Radio ein!“ an Tunneleinfahrten, dass es gerade im Tunnel sinnvoll ist, Verkehrsinformationen zu beachten. Sie sind allerdings eher zentral gesteuert und für örtliche Ereignisse mitunter nicht schnell genug. Die Tunnelbetriebszentralen können vor Ort viel schneller mit der Option „Einsprechen“ reagieren und die Autofahrer im Notfall schnell und sachgerecht informieren und mit Hinweisen zum Verhalten unterstützen. Das geschieht, indem die Betriebszentrale mit ihren Durchsagen die Radioprogvramme kurzzeitig überlagert.
Entsprechende Technik ist u.a. in den 2022 zu eröffnenden neuen Tunnels in Baden-Württemberg Waldsiedlung (B33 bei Konstanz) und Kriegsstrasse (Karlsruhe) sowie Rothenstein (B88 bei Kahla, Thüringen) vorgesehen. Das teilte eines der an der Ausstattung beteiligten Unternehmen mit.
Das Einsprechen bewährt sich vor allem, wenn es um das Geschehen unmittelbar im betreffenden Bauwerk geht. Sollen Verkehrsteilnehmer in einem größeren Gebiet regionale oder überregionale informiert werden, wäre die (noch zu standardisierende) Emergency Warning Function (EWF) von DAB+ eine sinnvolle Option. Damit können mehrsprachige Durchsagen und Lauftexte auf den Displays von den Behörden über DAB+ verbreitet werdebn. Es ist zudem möglich, geeignete Radios bei Bedarf aus dem Standby zu „wecken“.
DAB+-Tunnelfunk mit Nachholbedarf
Eine durchgehende Versorgung mit Digitalradio in Tunnels war schon frühzeitig sinnvoll und machbar. Anläßlich des DAB-Pilotprojektes zur Funkausstellung 1997 teilt die Medienanstalt Berlin Brandenburg u.a. mit:
| Beispielhaft ist im Pilotprojekt Berlin-Brandenburg auch die Realisierung einer unterbrechungslosen DAB-Tunnelversorgung entwickelt worden. |
Praktiziert wurde das damals - soweit bekannt - erstmals im Flughafentunnel Berlin-Tegel (A 111). Sogar die Kopplung von Radio und Verkehrstelematik war damals Teil des Projektes - lange, bevor automatisiertes Fahren in den Fokus rückte: |
| Beispielhaft für künftige Anwender präsentiert die Deutsche Telekom AG auf der IFA 1997 erstmals ein DAB-gestütztes dynamisches Verkehrsinformationssystem im Echtzeitbetrieb. |
DAB+ hatte naturgemäß nicht wie UKW fast 70 Jahre Zeit für die Investitionen in eine weitgehend komplette Ausstattung der Straßentunnels und fand bisher keinen Eingang in die Tunnelvorschrift RABT. Seit dem Neustart von DAB+ 2011 ist die Weiterleitung von DAB+-Multiplexen in Tunnels daher eher eine freiwillige Aufgabe, die nur in wenigen Bundesländern konsequent betrieben wird.
Der MDR hat fast alle Autobahn-Tunnels in Thüringen mit DAB+ ausgestattet. Bis Ende 2020 wurden in Bayern 24 Autobahn- und Bundesstrassen-Tunnels mit der DAB+-Technik für die Ensembles von BR und BDR und den Bundesmux1 ausgestattet. Den Privatradios, die man im Freistaat mit viel Aufwand parallel zu UKW auf DAB+ platziert, kann man - ebenso wie ihren Hörern - Funklöcher nicht zumuten. In fast allen Tunnels ist der Kanal 5C mit dem nationalen DAB+-Angebot zu empfangen. Das macht auch wegen der als Datenströme mitlaufenden TPEG-Verkehrsdienste einen Sinn. TPEG wäre auch für die ARD-Anstalten ein Anreiz, ihre digitalen Verkehrsinfos lückenlos anzubieten.
Dennoch ist der Nachholbedarf unverkennbar. Angesichts der großen Zahl von Tunnels in Baden-Württemberg überraschte die Meldung des SWR von Anfang Juni 2019: „Damit ist der Felderhaldetunnel der erste Tunnel in Baden-Württemberg, in dem eine DAB-Einspeisung erfolgt.“ Woran sicher auch Bayern am östlichen Tunnelausgang mitgewirkt haben mag. Es handelt sich um den ersten Tunnel im Freistaat mit einem „Break-In-System“, so dass die Infos des Tunnelbetreibers im Gefahrenfall auch DAB+-Hörer erreichen. Jetzt will der SWR mit den zuständigen Behörden über die Ausstattung weiterer Tunnels im Bundesland verhandeln.
Bis zur nächsten Meldung dauerte es fast ein Jahr: Im April 2020 ging in Hessen der erste DAB+-Tunnelfunk mit drei Multiplexen in Betrieb.
Viele Behörden zuständig, keine verantwortlich?
Für den Laien ist nicht immer durchsichtig und nachvollziehbar, welche Bundes- oder Landesbehörde Autobahnen und Bundesstraßen samt deren Tunnels betreibt. Das könnte sich ab Anfang 2021 ändern. Dann übernimmt die 2018
gegründete Fernstraßenverwaltung des Bundes (FBA) in Leipzig die Verantwortung für Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung, Verwaltung und Finanzierung der Bundesautobahnen. Dieser Behörde zugeordnet ist die Autobahn GmbH des Bundes mit Sitz in Berlin. Deren 15.000 Beschäftigen kommen u.a. aus den über 150 Autobahnmeistereien in die neue Staatsfirma. Für die Bundesstraßen bleiben die Länder (mit Ausnahmen), für Landstraßen- und innerörtliche Tunnels die Kreise und Gemeinden zuständig.
Welche Hemmnisse einer konsequenten Ausstattung mit DAB+-Hörfunk entgegenstehen illustriert ein Bericht von Zeit Online am Beispiel des DAB+-Funklochs im Neuen Elbtunnel Hamburg. „Die Rundfunkanstalten könnten ihr Programm im Tunnel auch in DAB+ senden, die technischen Voraussetzungen dafür sind vom Tunnelbetreiber gegeben“, wird Anfang Januar 2018 ein Sprecher der hanseatischen Verkehrsbehörde zititert. „Um ihr Signal in DAB+ senden zu können, müssten die Sender die Installations- und Betriebskosten tragen“, zieht sich die Behörde aus dem Verantwortungs-Verkehr. Im Frühjahr 2020 heißt es,
„letzte Abstimmungen und Planungen“ liefen bis Juni 2020. Man wolle noch „im Jahr 2020 auch Digitalradio (DAB+) in den Hamburger Autobahntunneln ermöglichen“, wenngleich
„noch schwierige technische und vertragliche Fragestellungen zu bearbeiten“ seien.
Allerdings scheint in diesen Fall Bewegung zu kommen:
„Voraussichtlich ab der zweiten Jahreshälfte 2022 wird Media Broadcast den DAB+ Empfang auch im Elbtunnel ermöglichen“, kündigte das Unternehmen im April 2022 an.
Knackpunkt Finanzierung
In welchem Umfang die Versorgung mit DAB+ überhaupt und dann auch in Tunnels möglich ist, liegt vordergründig an der Finanzierung. Deutschlandradio und die ARD-Anstalten müssen dafür über den Rundfunkbeitrag entsprechend ausgestattet werden. Und die Privatradios müssen, auch unter finanziellen Aspekten, dazu bereit sein. Je mehr DAB+-Radios in Autos eingebaut sind desto dringender werden entsprechende Entscheidungen. Zugleich schrumpft der Zeitraum, über den man die Investitionen verteilen kann. Das wird durch die Einführung der Hybridtuner-Pflicht in Autoradios ab dem 21. Dezember 2020 noch beschleunigt werden. Der hat Bund ab 2021 die Verantwortung für die Autobahnen ab 2021 an sich gezogen. Damit steht das Bundesverkehrsministerium in der politischen Pflicht, ggfs. die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, um die DAB+-Ausstattung der Autobahn-Tunnels durchzusetzen.
Dazu verweist Siegfried Schneider, Präsident der bayerischen Medienanstalt BLM, auf die Notwendigkeit einer Novelle der aus dem Jahre 2006 stammenden RABT-Richtlinie. Das betreffe nicht nur die Einbeziehung von DAB+ in die Vorgaben zur Ausstattung, weil „die Tunnelsicherheit dadurch wesentlich erhöht wird.“
In Verbindung mit DAB+ nannte er sowohl den Verkehrsinfodienst TPEG als auch „Break-In-Systeme“, mit denen im Gefahrenfall eine Vielzahl von Programmen zur Weitergabe von Informationen genutzt werden können. Schneider forderte zugleich, die Tunnelbetreiber an der Finanzierung zu beteiligen: „Katastrophenschutz ist eine öffentliche Aufgabe und kann nicht allein zu Lasten der Rundfunkveranstalter gehen.“
„Licht“ für DAB+-Tunnelfunk in Sicht?
Der DAB+-Ausbau aller Tunnels mit eingeschränktem DAB+-Empfang wird sich noch Jahre in Anspruch nehmen. Schnelle Investitionen in Millionenhöhe werden den ARD-Anstalten nicht ohne Weiteres zugestanden. Und auch die bei DAB+ engagierten Privaten sehen Investitionen - schon wegen der nicht absehbaren Dauer des UKW-Parallelbetriebes - wohl eher kritisch.
Überraschend brachte sich Anfang Juni 2019 der Sendenetz- und Multiplex-Betreiber Media Broadcast ins Gespräch. Das Unternehmen wolle den selbst betriebenen 1. Bundesmux und weitere Multiplexe einschließlich der ARD-Ensembles mit Tunnelfunk ausstatten. Konkrete Informationen gab es allerdings erst, als anlässlich des 2. Hamburg-Ensembles der Ausbau des Elbtunnels für das 2. Halbjahr 2022 angekündigt wurde.
Übrigens ...
... ist es interessant zu erfahren, dass einige der jüngsten Neubau-Tunnels nicht mehr von Bund, Ländern oder Gemeinden betrieben werden. Die ersten privatisierten Tunnels, für deren Nutzung Mautgebühren erhoben werden, sind der Rostocker Warnowtunnel und der Lübecker Herrentunnel.
Technisches
Ob DAB+ oder UKW, ob Mobil- oder Behörden-Funk - das Prinzip des Tunnelfunks gilt letztlich für alle Dienste. Der Bayerische Rundfunk beschreibt die Funktionsweise auf seiner Website recht einfach:
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Die Radiosignale werden an der Oberfläche mit einer Richtantenne empfangen und auf ein im Tunnel verlegtes Schlitzkabel geleitet. Dieses Koaxialkabel besitzt kleine Schlitze in der Schirmung und strahlt wie eine lang gestreckte Sendeantenne die Radioprogramme auf derselben Frequenz wieder ab. Eine „Durchsage“-Einrichtung ist dazwischen geschaltet und kann bei Notfällen von der Polizei aktiviert werden.
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Klickbare Prinzipskizze. Quelle: Wikipedia. |
Warum ist der Empfang hinter der Einfahrt in einen Tunnel oft besser als vor der Ausfahrt? Warum sind manche Programme durchgehend, andere überhaupt nicht im Tunnel empfangbar? Diese Alltagsfragen beantwortet SWR Wissen. Das Gesagte gilt für UKW ebenso wie für DAB+ und unabhängig von der Frage, ob eine Ausstattung mit Tunnelfunk besteht oder Programme von von aussen einstrahlen.
Es geht auch anders
Noch langsamer als in Deutschland geht es in Österreich zu. Dort begann ein Testprojekt in zwei Tunnels des Wiener Außenrings S1 im November 2020. Ziel sei es, „Vorgaben für die Errichtung von zukünftigen Tunnelfunkanlagen zu erstellen“, so der Netzbetreiber ORS.
Konsequentes Herangehen zeigt die Schweiz. Seit klar ist, dass UKW dort Ende 2024 abgeschaltet wird, hat sich das Bundesamt für Straßen Astra konsequent um den Tunnelfunk mit DAB+ gekümmert. Weitere Umrüstungen erfolgen im Zuge von Unterhaltungsarbeiten.
Offenbar gibt es keine offiziellen Unterlagen, die ein Gesamtbild des Empfangs von DAB+ in den schweizerischen Tunnels darstellen. Umso höher ist die Mühe des Betreibers von dab-swiss zu schätzen. Er veröffentlicht eine Liste der mit DAB+ ausgestatteten Tunnels. Anfang 2020 waren
175 der bekannten 217 Tunnels samt empfangbaren Multiplexen verzeichnet. Die Aktualisierung von Anfang 2021 nennt 210 von 220 Tunnels über 300 Meter Länge.
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DAB+ in Schweizer Tunnels. Stand: 2/2021. Grafik: DAB Swiss, klickbar. |
Die Erkenntnisse wurden in die nebenstehende schematische Karte eingearbeitet. In nicht aufgeführten kurzen Tunnels kann der Empfang durch Einstrahlungen von aussen möglich sein.
Tunnelfunk in der Schweiz (Liste von dab-swiss, Stand: 10/2021).
Nach Angaben des Bundesamtes Astra wurde die Ausstattung der Tunnels ab 300 Metern Länge Anfang 2020 beendet. Neu in die Verantwortung der Behörde übergebene Tunnels bekommen nach und nach DAB+-Repeater.
Weitere Informationen:
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