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Radiodigitalisierung mit DVB-T oder DVB-T2?

Jede vernünftige DVB-T-Settopox kann natürlich auch das Fernsehbild weglassen und nur den Ton, z.B. an eine Stereoanlage weitergeben. Radio über DVB-T zu verbreiten ist also technisch kein Problem. Zumindest zeitweise wurde DVB-T zum Zündstoff in der medienpolitischen Diskussion um die Digitalisierung des Hörfunks. Die Bombe ging im Sommer 2005 hoch.

Noch bis weit ins Jahr 2004 forcierten die Landesmedienanstalten Digital Audio Broadcasting (DAB) als Ersatz für das UKW-Radio. Zwar war das DAB-Netz seit April 1999 ausser in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern nahezu flächendeckend aufgebaut worden. Das Programmangebot schwankte jedoch, ab 2008 zogen sich private Sender zunehmend zurück, sobald Förderungen ausliefen. Die propagierten neuen Dienste, die DAB samt ihres Mehrwerts als Kaufanreiz, kamen jahrelang über vollmundige Ankündigungen nicht hinaus. Auch haben wechselnde Bezeichnungen wie DAB, Digitalradio oder T-DAB (T für terrestrisch) eher für Irritationen gesorgt statt DAB als potenziellen UKW-Nachfolger bekannt und populär zu machen. Nach Schätzung der Landesmedienanstalten wurden bis Ende 2004 gerade
Radio ...
... steht nach wie vor hoch in der Gunst. Jeder dritte Deutsche hört täg-lich bis zu 421 Minuten (also 7 Stunden!) Radio, so eine Untersuchung von ARD Sales & Services (Jan. 2006. Der Durch-schnitt liegt bei 206 Mi-nuten. Statistisch gese-hen ist das Radio also ein attraktiver Markt.

mal 40.000 DAB-Geräte verkauft. Folgerichtig stoppte die KEF die DAB-Investitionen von ARD und Deutschlandradio mangels ausreichender Perspektiven.

Völlig unklar blieb daher bis dahin, wie man die Digitalisierung des Hörfunks vorantreiben und den Verbrauchern schmackhaft machen wollte, die bis zu 500 Millionen betriebenen UKW-Radios (einschließlich Autoradios Batteriegeräte) zu verschrotten und neue, digitale Geräte zu kaufen. So wunderte es nicht, dass eine Grundsatzdiskussion um die Radio-Digitalisierung aufkam.

Radio-Trendwende? MABB stellt die Strategie für Digitalradio zur Disposition

In dieser Situation preschte die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) im November 2004 vor und schlug „die Aufgabe des bisherigen DAB-Ansatzes“ vorgeschlagen. Aufgrund der Situation von DAB in Deutschland und der weiterentwickelten Übertragungstechniken formulierte der MABB-Medienrat seine Bedenken:
  Das Programmangebot vor allem privater Anbieter sei rückläufig.
  Es gebe nicht genug Frequenzen, um alle UKW-Programme mit DAB digital zu verbreiten.
  Der DAB-Empfang innerhalb von Gebäuden ist schlechter als bei UKW, obwohl 80 Prozent des Radiokonsums in Gebäuden stattfinde.
  Die Verbreitung im L-Band habe sich als Fehlschlag erwiesen.
  Mobiltelefonie und breitbandiges Internet haben das Konsumverhalten nachhaltig verändert und bringen die Möglichkeit, den Hörfunk auf anderen Plattformen (Webradio) zu nutzen und mit anderen Diensten zu verbinden.
  Die aus den 80er Jahren stammende Datenkodierung sei überholt.
  Kostenpflichtige Radioangebote sind mit DAB nicht realisierbar.

Damit fehle die wirtschaftliche Grundlage vor allem für die Beteiligung privater kommmerzieller Programm-Veranstalter an der Digitalisierung des Hörfunks.

Als mögliche Alternativen zu DAB nannte die MABB sowohl DRM und DMB als auch DVB-H. Die Landesmedienanstalten, wie auch andere Interessierte, wurden aufgefordert, gemeinsam neue Strategien für digitales Radio zu entwickeln und das digitale Radio vom Abstellgleis DAB weg zu rangieren. „Aufgabe der Regulierung ist es, Wege zu öffnen, auf denen Unternehmen neue Angebote entwickeln können, über deren Erfolg dann der Verbraucher entscheidet“, so die Medienwächter.

Funkausstellung 2005: Radiopaket über DVB-T startet in Berlin

Als sich abzuzeichnen begann, dass wenig Bereitschaft zur Bewegung besteht, machte die MABB Nägel mit Köpfen. Am 29. August 2005 wurden 32 Radioprogramme im DVB-T Modus auf dem Berliner Testkanal 59 - gemeinsam mit zwei TV-Programmen (damals n-tv und Euronews) - aufgeschaltet. Der ursprünglich auf ein Jahr befristete Akzeptanztest wurde bis August 2007 um ein Jahr verlängert und läuft seither eher inoffiziell weiter. Offenbar kommt die MABB den Reichweitenkarte Radiokanal 59 für Berlin
Anbietern bei den Sendekosten erheblich entgegen. Zudem konnten diese zumindest zeitweise damit angelockt werden, bei vergleichsweise geringen Kosten etwa 350.000 DVB-T Nutzer zu erreichen. Zwischen Elbe und Oder: Reichweite des Berliner Testkanals 59 (2005).

Im Radio-Bouquet fanden sich die ersten verschlüsselten Bezahlsender, die in Deutschland über DVB-T verbreitet wurden. Die vier „Radioropa Hörbuch“-Programme von Techniradio (betrieben vom Hersteller Technisat) wurden im Januar und April 2006 aufgeschaltet, jedoch mangels Interesse im Juli 2008 wieder aus der Luft genommen. Am 30.9.2008 stellte Technisat seine gesamten Radioaktivitäten - in Berlin gab es weitere acht Techniradio-Sender per DVB-T - ein, so dass ein großer Teil des Radioangebots wegfiel. Dann bröckelten die Fronten weiter. Schon Anfang 2008 waren RBB und WDR ausgestiegen, so dass öffentlich-rechtliche Sender nicht mehr im Radiopaket vertreten waren.

Die MABB nutzt den Kanal auch für technische Versuche. So kam mit 90elf am 1. September 2008 das erste Visual Radio für etwa ein Jahr ins Angebot. Seit Mai 2009 sendet das zweite Visual Radio JayJay VR (inzwischen Place2Be) , das zudem alternative Codecs erprobt. Im Juli 2009 waren noch 13 Hörfunkprogramme und die beiden Visual Radios auf Sendung. Ab Ende 2009 wurden nur noch acht Radios im Kanal 59 übertragen, das dortige TV-Angebot auf drei Programplätze erweitert.

Die Idee der MABB hatte allerdings einen Haken: Nirgendwo anders in Deutschland dachte eine Landesmedienanstalt daran (Ausnahmen bestätigen die Regel), Hörfunk via DVB-T anzubieten. Dadurch konnte kein Markt für Endgeräte entstehen. Über die auf der IFA 2005 von Technisat gezeigten Muster eines „Henkelmanns“ (Foto) und eines stationären Empfängers geschah auf der Geräteseite nichts. Nicht einmal Technisat verfolgte die eigenen Ankündigungen, nach denen 2006 ein Autoradio gezeigt werden sollte.

Weitere Radio-Testballons

Ende 2009 hatte sich die Radiodigitalisierung wieder in Richtung DAB und dessen Nachfolger DABplus entwickelt. Gleichwohl schrieb die Landesmedienanstalt Hamburg Schleswig Holstein für Hamburg, Kiel und Lübeck einen „viertel DVB-T Kanal“ mit 16 Programmplätzen für Hörfunksender aus. Trotz einer dort vorangegangenen Debatte um einen Bedarf an Radio-Sendemöglichkeiten war das Echo offenbar niederschmetternd. Der Plan wurde fallen gelassen, stattdessen erfolgreich ein weiterer TV-Platz ausgeschrieben.

Im Leipziger Lokalkanal werden zwei überegionale und ein lokales Radioprogramm ausgestrahlt. Einige Radiosender wurden auch für Lokalpakete in weiteren sächsischen Gebieten zugelassen. Die Radios füllen dort aber nur Sendeplätze, die mangels lokaler Programmveranstalter vom Fernsehen nicht benötigt werden.

Digitales Radio bleibt bei seinem Leisten

Wie gesagt, Ende 2009 hatte sich die Situation für die digitale Radiozukunft gänzlich geändert. DAB/DABplus waren - diesmal für einen nationalen Multiplex mit etwa 13 Programmen und weiteren Diensten ab August 2011 - wieder ins Gespräch gekommen. Die interessante Idee, etwa 30 Radioprogramme - also im Prinzip das komplette regionale UKW-Angebot - über DVB-T in die Luft zu schicken, kann als gescheitert gelten. Zum Jahreswechsel 2013/2014, nachdem DAB+ deutschlandweit fest etabliert scheint, wurde das Berliner Radiopaket mit zuletzt noch fünf Programmen endgültig abgeschaltet.

Chris Weck, Technikchef des Deutschlandradio, fasste in einem Interview Gründe, die gegen DVB-T für den Hörfunk sprechen, so zusammen:
Die TV-Verbreitungstechnik sei prinzipiell auch für Radio geeignet. Bei DVB-T ergebe sich - im Gegensatz zu Kabel und Satellit - „aber ein wesentlicher, ganz grundsätzlicher Unterschied und zwar abhängig von der Versorgungszielsetzung. Soll z. B. über ein Sendernetz insgesamt eine sehr hohe Datenrate übertragen werden oder wird insgesamt nur eine geringe Datenrate benötigt. Im letzten Fall ist jedoch eine viel höhere Reichweite eines Senders möglich, was für eine Flächenversorgung notwendig ist. Das bestehende und derzeit voll ausgebaute DVB-T-Netz deckt lediglich 15 Prozent der Fläche in Deutschland für einen portabel-indoor-Empfang ab. Mit Richtantennen auf dem Hausdach können ca. 90 Prozent der Bevölkerung DVB-T empfangen. Aber gerade das Radio soll mobil überall ohne großen Aufwand empfangbar sein – auch portabel unter Indoor-Empfangsbedienungen.“ Für diese Anforderungen sei das DVB-T Netz weder technisch noch unter dem Kostenaspekt geeignet.
Quelle: Interview in Proaudio, 24.1.2011.

Nicht vergessen: Settopbox neu programmieren!

Scart-Adapter Dennoch ein praktischer Hinweis für die Berliner und die Sachsen. Es versteht sich, dass für die Radioprogramme ein Suchlauf auf dem entsprechenden Kanal durchgeführt werden muss, damit die Radio- und Fernsehprogramme bzw. Änderungen im Angebot in den Senderlisten gespeichert werden. Üblicherweise ist in der Settopboxen-Software bereits eine Radioliste vorgesehen, in die Radioprogramme dann erscheinen sollten. Um ein Radioprogramm zu hören, muss diese Liste über die entsprechende Taste der Fernbedienung angewählt werden (siehe Geräte-Anleitung). Die Box kann mit Cinchkabeln oder Scart-Adaptern (Bild rechts) an einen HiFi-Verstärker angeschlossen werden, so dass zum digital Radio hören der Fernseher ausgeschaltet bleiben kann. Allerdings ist die Senderliste bzw. der gewählte Sender dann nur im Display (wenn vorhanden) der Settopbox zu sehen.
Programme im Berliner Radiopaket und in Leipzig und Sachsen lokal (aktuell).
Über den digitalen Hörfunk mit DAB/DABplus.

Diskussion mit DVB-T2 Lite wieder aufgenommen

Der dänische Netzbetreiber Open Channel hat die Diskussion um die Digitalradio-Verbreitung mit TV-Sendetechnik 2011 wieder aufgenommen. Das Unternehmen will im Rahmen eines Tests ab April 2012 bis zu 48 Radioprogramme im Großraum Kopenhagen mittels DVB-T2 Lite-Sendetechnik ausstrahlen. Dies geschieht im Kanal 9D, also in dem für Digitalradio koordinierten VHF-Band.

Ein Hintergrundpapier der Firma vergleicht die Kapazitäten von DAB+ und DVB-T2 Lite im VHF-Spektrum. Bei gleicher Sendeleistung und Robustheit des Signals ergebe sich für DAB+ eine Bitrate von 1.056, bei DVB-T2 Lite von 3.612 Kilobits pro Sekunde. Das reiche für bis zu 56 HE-AACcodierte Musikprogramme in akzeptabler Qualität, jedes mit einer Bitrate von 64 Kilobits pro Sekunde. Ausgehend von einem dänischen Beispiel heißt es weiter, die jährlichen Verbreitungskosten könnten gegenüber DAB (alt) um etwa den Faktor zehn, gegenüber DAB+ auf ein Drittel bis ein Viertel reduziert werden.

Diese Idee kommt vielleicht - nach den Erfolgen von DAB+ in England und der Schweiz und dem Einführungsbeginn in Deutschland - etwas spät. Was zum Teil daran liegt, dass DVB-T2 Lite erst im Sommer 2011 verabschiedet wurde. Der Vorstoß von Open Channel könnte eher für kleinere Länder geeignet sein, in denen sich das nationale Radioangebot in einem Block zusammenfassen ließe. Sobald lokale und regionale Verbreitungskonzepte für den digitalen Hörfunk ins Spiel kommen, scheint das Sendekonzept nicht optimal zu sein. Umgekehrt wäre zumindestens denkbar, dass lokale und regionale Radios ihre Profile auf die Ebene der Bundesländer erweitern könnten - bei vergleichsweise günstigen Verbreitungskosten.

In jedem Fall würde die Radioverbreitung mit DVB-T2 Lite bedeuten, dass eine neue Gerätegeneration entwickelt werden müsste und der im Sommer 2011 begonnenen Etablierung von DAB+ (erstmals mit einem nationalen Mux auf einem einheitlichen Kanal) entgegen gearbeitet werden würde.

Links zum Thema
dehnmedia-Meldung zu Media Broadcast plant Visual Radio in Berlin vom 9.1.2014.
dehnmedia-Meldung zur Einstellung des Berliner Radioprojektes vom 3.1.2014.
dehnmedia-Meldung zum dänischen Radioprojekt mit DVB-T2 Lite vom 13.9.2011.
dehnmedia-Meldung zum Ergebnis der Hamburger Radio-Ausschreibung vom 4.3.2010.
dehnmedia-Meldung zur DVB-T Radio-Ausschreibung der MA HSH vom 21.12.2009.
dehnmedia-Meldung zur KEF sperrt DAB-Mittelvom 16.7.2009.
„Überlegungen zu einem Konzept für die zukünftige Gestaltung des terrestrischen Hörfunks in Deutschland“ - Diskussionspapier der Landesmedienanstalten vom Novembe 2006.
„Neuer Aufbruch für digitales Radio und mobile Multimediaangebote – Aufgabe des bisherigen DAB-Ansatzes“ - Papier des Medienrates der MABB vom 23.11.2004. / Presseinfo der MABB vom 25.8.2005.
IFA-Nachrichten (2005) auf dieser Website.
DVB-T Geräte mit Radioempfang über UKW, DAB etc. in der Geräteliste.



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