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Die Digitale Dividende (4/5)

Pilotprojekte in Deutschland

Schon im Vorfeld der Frequenzneuordnung beschäftigten sich die Landesmedienanstalten mit Breitband-Funkdiensten im UHF-Bereich. Unter anderem wurde eine Arbeitsgruppe zur Digitalen Dividende gegründet. Darüber hinaus wurde grünes Licht für mehrere technische Versuchsprojekte gegeben. Wie üblich geht es dabei vordergründig darum, das Funktionieren und die Akzeptanz der neuen Dienste zu testen. Einige Projektbeschreibeungen geben aber Anlass zur Kritik.

MABB-Projekt in Wittstock

Die MABB startete am 1. Dezember 2008 ein entsprechendes Projekt im Raum Wittstock/Dosse. Dafür wurde eine Funkanlage am Autobahn-Dreieck Wittstock aufgebaut. Netzbetreiber T-Mobile installierte ein 3G TD-CDMA-System mit aus dem Mobilfunk stammender Technik der britischen Firma IPWireless im Frequenzbereich 750 Megahertz (Kanal 55). Nach Systemtests sollen 100 Personen an dem Projekt teilnehmen. Die Technik sei wesentlich kostengünstiger als andere Mobilfunk-Verfahren oder Wimax. Die für den Regelbetrieb angekündigte LTE-Technik kommt nicht zum Einsatz.

Unumstritten ist das Projekt nicht. Ziel seien aus regulatorischer Sicht die Ermittlung der Reichweite und der praktisch erreichbaren Bandbreiten innerhalb einer Funkzelle. Eines der Probleme ist, dass die individuelle Nutzbandbreite mit zunehmender Nutzerzahl sinkt. Ein anderes Problem steckt schon im Versuchsgebiet: Wittstock liegt - sichtbar in der offiziellen DVB-T Empfangsprognose (siehe Screenshot; clicken zum Vergrößern) - in einem buchstäblich „weissen Fleck“ des DVB-T Empfangs zwischen den TV-Sendern Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern), Dequede (Sachsen-Anhalt) und Berlin. In unmittelbarer Frequenznähe liegt nur der Schweriner ZDF-Kanal 54 (738 MHz).
DVB-T Versorgung in Wittstock - Screenshot von der MABB-Webpage by dehnmedia

















Wittstock - ein „weisser Fleck“ auf der DVB-T Karte (Screenshot der MABB-Webpage by dehnmedia)
Der angekündigte Test des Störungsverhaltens zwischen Funk- und Fernsehanwendungen schien daher ein vorherbestimmtes positives Ergebnis zu haben. Dennoch räumte die MABB anlässlich des Projektabschlusses im Dezember 2010 an, „dass die Internet-Breitbandübertragung in Rundfunkfrequenzbändern technisch möglich ist, Interferenzen und EMV-Probleme in einigen Fällen aber besonderer Aufmerksamkeit bedürfen“. Damit wird ein Störpotenzial („Interferenzen“) durchaus eingeräumt.

Die Telekom meldete wenige Tage vorher den erfolgreichen Abschluß eines eigenen, am 30. August 2010 begonnenen, LTE-Projektes in Kyritz (Brandenburg). Dem soll eine Pilotphase folgen, in der die 80 Teilnehmer das Netz kostenlos nutzen können. Im 1. Quartal 2011 soll die Kundenwerbung einsetzen.

LRZ-Projekt in Waren/Müritz

Überraschend wurde ein zweites Vorhaben ab Januar bis Jahresende 2009 in Mecklenburg-Vorpommern bekannt gegeben. Dort ist nicht einmal mehr von einem Technik-Test die Rede. Die Technik sei kommerziell verfügbar und man strebe eigentlich nur die Frequenzzuteilung an. Der Gretchenfrage der Störsicherheit benachbarter Rundfunksender entzieht man sich bei dem im Umkreis von 20 Kilometern um den Sendeturm Grabow (bei Waren/Müritz) laufenden Projekt: In dem Bundesland besteht mit nur zwei Multiplexen die schlechteste DVB-T Infrastruktur Deutschlands und die dort für das Fernsehen genutzten Frequenzen liegen nicht einmal in der Nähe der für die Datendienste beanspruchten UHF-Frequenzen oberhalb des Kanals 60. Das erinnert an die Kabelpilotprojekte der 80er Jahre, die sich frühzeitig nur als Vorstufen eines Regelbetriebes (der hochsubventionierten Verbreitungsplattform für das damals neue Privat-TV) erwiesen.

Der Start des Projektes erfolgte Ende Februar 2009. Genannt werden Übertragungsraten von 7,2 Megabit pro Sekunde im Downlink und 1,4 Mbit/s im Uplink in Verbindung mit dem EPlus-Netz. Die Teilnehmer bekommen Handys von Ericsson. Weitere Partner sind das Wirtschaftsministerium und die Medienanstalt Berlin Brandenburg.

Ergebnisse wurden nicht veröffentlicht.

LfK-Projekt in Bopfingen und Unterschneidheim

Der „Funkversuch Baldern“, für den gleich hohe Übertragungsraten genannt werden, startete im Juni 2009. Beteiligt waren Vodafone und Ericsson. In die Auswertung wurden auch Marktforscher, Verbände, KabelBW und andere einbezogen. 100 Haushalte in Bopfingen und Unterschneidheim konnten ein Jahr lang kostenlose Endgeräte nutzen. Gezeigt werden sollte, wie ein ländliches Gebiet über Funk im oberen UHF-Bereich (Kanäle 61 bis 69) statt über DSL oder Kabelmodem mit mobilem breitbandigem Internet versorgt werden kann. Der Funkdienst arbeitete jedoch mit UMTS statt mit der für den Regelbetrieb wahrscheinlicheren LTE-Technik.

Das Frequenzband habe sich als vorteilhaft für die neuen Dienste erwiesen. Es sei aber auch zu Störungen des DVB-T- und DVB-C-Empfangs sowie von Funkmikrofonen gekommen. Soweit das Fernsehen im Haushalt des Funknutzers gestört wird, empfiehlt die LfK die „räumliche Entkopplung“ beider Geräte. Dafür sei der Nutzer selbst verantwortlich. Fernsehen im Wohnzimmer, Mobilfunk in der Küche? Kommen Störungen vom Nachbarn, müsse dieser für Abhilfe sorgen. Dies könne durch „geringere Sendeleistung des Funkterminals, Bereitstellen von Entstörmitteln (z.B. Filter), Austausch von Teilen der TV-Empfangsanlage“ geschehen“, so die LfK. Damit werden die Lasten einer prinzipiell für möglich gehaltenen Koexistenz beider Funksysteme so oder so dem Verbraucher auferlegt.

Ein genereller Rat der LfK gibt Anlass zu weiteren Überlegungen: Kommt es hart auf hart, sollen die Antennenzuschauer sich eine Dachantenne kaufen. Damit wird allerdings der bisher beworbene „einfache“ Empfang von DVB-T total entwertet. Wie lebensfremd einige Schlußfolgerungen sind, zeigt die Forderung der LfK an die Gerätehersteller, „Metallgehäuse statt Plastik für TV-Geräte“ zu verwenden - was den Betroffenen überhaupt nicht hilft.

Als Betreiber der DVB-T Versorgung macht MediaBroadcast sowohl die beim Projekt nicht untersuchten Basisstationen als auch die Endgeräte als Störquellen fest. Das, obwohl die ortsüblichen DVB-T Programme zwischen den Kanälen 44 und 59 (also unterhalb des K 61) senden. Extrem war das Störverhalten im teilweise empfangbaren bayerischen Kanal 66 (Wendelstein) sowie im Kanal 59 (Aalen). Um Störungen zu vermeiden, sei zwischen TV-Empfänger und Funkterminal ein Abstand von mehr als 30 Metern (K 66) bzw. mindestens 5 Metern (K 59) notwendig.

KabelBW fordert in Zusammenhang mit den sowohl in der Nutzer- als auch der Nachbarwohnung des Nutzers festgestellten „massenhaften Störungen“ des Kabelempfangs „zumindest (die) ausreichende Absenkung des Sendepegels von Basisstationen und Endgeräten“.

Tatsächlich hinterlässt der Bericht mehr Fragen als Antworten. Eine der Konsequenzen ist daher die Forderung aller Beteiligten, weitere Aspekte des Störverhaltens - insbesondere durch Basisstationen und bei Verwendung mehrere Mobilfunkterminals im Umfeld eines Fernsehempfängers - zu untersuchen. Das will auch die LfK „mit dem Ziel der Erstellung eines Katalogs konkreter Handlungsempfehlungen und der Information der Verbraucher“.

Projekt in Oberwiesenthal

Das Projekt im sächsischen Urlaubsort mit 50 Teilnehmern, technisch unterstützt von Ericsson und Vodafone (wie das in Ba-Wü), startete im Juli 2009. Für den Upload werden hier sogar maximal 2 MBit/s angegeben. Die Technik soll mit Blick auf die Mittelgebirgs-Topologie und die Störsicherheit anderer Funkdienste (DVB-T, Veranstaltungsfunk) getestet werden.

Im November 2009 wurden hier Ergebnisse vorgelegt, die das Störpotenzial bestätigen. Dies betrifft nicht nur den TV-Empfang per Antenne und Kabel, sondern auch Kabelmodems für Heimnetzwerke. Wie bei anderen Tests erwiesen sich weniger ordnungsgemäß ausgeführte Verkabelungen als Störfaktoren - sondern vor allem TV-Empfangsgeräte, die naturgemäß nicht in ihrem üblichen Arbeitsbereich abgeschirmt sind.

Projekt in NRW mit WDR-Beteiligung

Im November 2009 startete der „weltweit erste Testbetrieb“ mit der Mobilfunktechnik LTE, die im oberen UHF-Bereich für das mobile Internet der Mobilfunkbetreiber verwendet werden soll. Einer der Projektbeteiligten ist der WDR, der neben der Störsicherheit des DVB-T- und Kabelempfangs auch die Verwendung der neuen Funktechnik für die Übertragung von Livesendungen in Radio und TV erproben will. Weitere Partner der Landesmedienanstalten sind hier das Wirtschaftsministerium des Bundeslandes und das Mobilfunkunternehmen Vodafone.

Erste Ergebnisse stellen nur geringe Einflüsse von LTE-Ausstrahlungen auf den terrestrischen TV-Empfang fest. Allerdings wurde nur das Störpotenzial der Basisstation Nordhelle untersucht, wo neben LTE im Kanal 61 ein 100 kW-TV-Sender (ARD-Multiplex, Kanal 60) betrieben wird. Die von anderen Untersuchungen als weitaus kritischer betrachteten TV-Störungen in der Nutzungsumgebung von LTE-Endgeräten blieben hier außen vor. In einem Bericht zur Verträglichkeit heißt es á la Baden-Württemberg: „Störungen von LTE-Endgeräten können vermieden werden, in dem deren Aufstellort nicht in der Nähe von DVB-T Empfangsantennen gewählt wird.“ Dieser potenzielle Rauswurf von Nutzern der neuen Internetdienste aus der Wohnung ist pure Realsatire.

Im April 2010, also während der am 12. April 2010 gestarteten Frequenzauktion, wurde mit dem Aufbau einer weiteren „Test“-Anlage in Lüdenscheid-Heedfeld begonnen.

Dokumente:
dehnmedia-Meldung zu Abschluß des Wittstock-Projektes vom 14.12.2010.
dehnmedia-Meldung zu Abschluß des Telekom-Projektes vom 14.12.2010.
dehnmedia-Meldung zum NRW-Sender Lüdenscheid vom 27.4.2010.
Website des LTE Projekts NRW.
LfK-Presseinfo zu Ergebnissen des „Funkversuchs Baldern“ vom 23.3.2010 mit weiteren Links.
dehnmedia-Meldung zu Ergebnissen des Oberwiesenthal-Projektes vom 19.11.2009.
dehnmedia-Meldung zum Start des NRW-Projektes vom 9.11.2009.
dehnmedia-Meldung zum Start in Sachsen vom 24.7.2009.
dehnmedia-Meldung zum Start in Baden-Württemberg vom 29.6.2009.
dehnmedia-Meldung zur Startankündigung in Baden-Württemberg vom 7.4.2009.
dehnmedia-Meldung zum Projektstart in Mecklenburg-Vorpommern vom 26.2.2009.
Presseinfo der MABB vom 1.12.2008 zum Projektstart in Wittstock.
Presseinfo von Ericsson vom 7.1.2009 zum Grabow-Projekt.

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