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Parteivertreter in Kontrollfunktionen (4/5) | |
Mindestens genauso falsch wie die Kontrolle einiger Landesmedienanstalten durch die jeweilige Landesregierung ist die Vertretung des Privatfunks in Gremien, die Rundfunkbetriebe, ob private oder öffentlich-rechtliche, kontrollieren sollen. Umgekehrt geht es auch: Offenkundige Lobbyleute werden an die Spitze der Medienpolitik eines Bundeslandes gestellt. Hier einige Beispiele für solche - ganz legalen - Ungereimtheiten.
Saarland 1: Privatfunker kontrolliert Privatfunk
Laut dem Landesmediengesetz entscheidet der Medienrat der Medienanstalt LMS natürlich über Zulassungen und Ablehnungen von Programmen zum Sendebetrieb und den Entzug von Sendegenehmigungen sowie über die Zuweisung von Übertragungsfrequenzen. Das Gremium behandelt auch Verstöße gegen das Landesmediengesetz durch Private Programmveranstalter und kann Sanktionen aussprechen. Das Gremium kann die Weiterverbreitung von Programmen untersagen.
Ende 2019 hat der Medienrat 39 Mitglieder. Darunter sind je zwei Vertreter der GroKo-Fraktionen im Landtag, je eines der beiden Oppositionsfraktionen und mindestens drei Vertreter aus der politischen Struktur (Interregionaler Parlamentarierrat, Landkreistag, Städte- und Gemeinderat). Daneben werden die Spitzenfunktionen diverser im Medienrat vertretener Landeseinrichtungen politisch besetzt.
Der Jurist Stephan Ory ist seit 2000 Mitglied und seit 2005 Vorsitzender des gewählte. Dorthin wurde er von der Landesregierung entsandt. Die Amtszeit läuft bis Ende 2022. Ory war u.a. Geschäftsführer des Sky- und Premiere-Vorläufers Teleclub und in der Führung des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger tätig. Seit 1990 ist er Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR). Die Landesregierung hat also wissentlich einen führenden Lobbyvertreter der Privatradios in ein Gremium geschickt, das den Privatfunk kontrollieren soll.
Saarland 2: Alles unter Kontrolle mit CDU-Personal
Den eigenen Mann für die Leitung der Gremienarbeit der LMS durchgesetzt zu haben, reichte der Saar-GroKo - in Sonderheit der CDU - aber nicht. Bei der 2016 fälligen Besetzung des Direktorenpostens hatte die CDU Uwe Conradt erfolgreich lanciert. Weil er 2003 bis 2012 als Abteilungsleiter der LMS tätig war, könnte er oberflächlich betrachtet quasi als anstaltsinternes Eigengewächs gelten. Wäre er nicht zwischen 2012 und 2016 medienpolitischer Sprecher der CDU im Landtag gewesen. Und hätte die CDU ihren Parteisoldaten nicht schon ab 2019 als Saarbrücker Bürgermeister stramm stehen lassen.
Die Personalie ist bis dahin schon zweckpolitisch genug. Aber genug ist eben nicht immer ausreichend. Denn Umständer der Wahl der GroKo-Kandidatin Ruth Meyer sind wiederum ein Indiz für Filzokratie. Frau Meyer ist nämlich Landtagsabgeordnete der CDU. Noch schlimmer ist aber, dass die CDU-Fraktion sie nominierte, bevor der Job überhaupt ausgeschrieben wurde. Die damit im Grunde gelaufene Wahl erfolgte dann mit den Stimmen der GroKo-Fraktionen. Zustände wie in Osteuropa, kommentierte der bekannte Medienhurist Dieter Dörr. Und die Linksfraktion stellte „Erbhöfe der großen Koalition“ fest.
Auch Jörg Ukrow hatte sich beworben. Das SPD-Mitglied war lange Zeit Medienreferent in der Staatskanzlei und ist seit 2003 Vizechef der LMS. Unterlag er im Landtag möglicherweise - um das Bild vom Erbhof aufzunehmen - weil die CDU gerade bei der Postenverteilung dran war? Ukrow sieht die Grundsätze der Chancengleichheit beim Wahlvorgang und der Transparenz und Staatsunabhängigkeit der LMS verletzt. Er klagte, um zunächst die offizielle Ernennung von Frau Meyer zu verhindern.
Das Verwaltungsgericht Saarlouis wies die Klage ab. Die Argumentation der Richter wirft ein interessantes Licht auf Stellenbesetzungen durch Parlamente:
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Die maßgebliche Wahlentscheidung des Landtages bewege sich außerhalb rechtlicher Bewertungskategorien und bedürfe auch keiner Begründung. |
und | |
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Die frühzeitige öffentlichkeitswirksame Nominierung der Gewählten für das Amt der Direktorin der LMS durch die CDU-Landtagsfraktion mit Presseerklärung vom 28.10.2019 stelle keinen Verstoß gegen den Grundsatz des chancengleichen Zugangs zu einem öffentlichen Amt dar. Es habe sich lediglich um einen unverbindlichen Vorschlag gehandelt ... |
Wenn das so ist, werden wichtige Stellen durch Parlamentsmehrheiten nach Parteiproporz und unabhängig von fachlicher Kompetenz der Kandidaten besetzt. Und diese Parlamentarier brauchen sich für ihre „nur den Bindungen des Gesetzes und des Gewissens unterworfene Entscheidung“ nicht zu rechtfertigen - schon gar nicht vor Gericht.
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