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Digitalradio: Small Scale DAB+ für Lokalradios (2/2)

Digitalradio-Schriftzug ab 5/2107 „Wer hat's erfunden?“ Natürlich waren das die Schweizer. Zumindest was ein „Bonbon“ des digitalen Hörfunks betrifft. Auf dieser Seite werden Infos zu interessanten internationalen Aktivitäten rund um Small Scale DAB und Software Defined Radio zusammengefasst.

Die Idee und umfangreiche Arbeiten zu diesem Sendeverfahren entstanden bei unserem südlichen Nachbarn sowie in Kanada.

Schweizer Digris AG sendet seit 2014

Die Schweiz ist folgerichtig das erste Land, in dem Small Scale-Netze aufgebaut hat. Die Digris AG hat 2014 begonnen, bis 2020 18 lokale Netze nach diesem Konzept auf Sendung zu bringen. Einige Inseln werden als Gleichwellennetze betrieben. In den Multiplexen senden zwischen 11 und 17 Programmen.

Das Unternehmen wirbt u.a. mit den Kosten. „135.000 Franken (125.000 Euro) musste ein Lokalradio bislang hinblättern, um eine Region auf DAB+ abzudecken. Die neue Technologie der Digris AG kostet ein Radio durchschnittlich 2.000 Franken (1.846 Euro) pro Jahr und Region.“ Bereits eingerechnet ist die in der Schweiz mögliche 80 Prozent-Förderung der Sendekosten. Ohne Förderung wären also etwa 10.000 Franken (rd. 9.231 Euro) jährlich zu kalkulieren. Im Vergleich mit den Kosten für einen Platz in den üblichen großflächigen und leistungsstarken Multiplexen ist das sehr bescheiden.

„Eine neue, lokale Dimension“ mit gelegentlichen Übertreibungen

Aus Sicht der britischen Medienbehörde Ofcom öffnet Small Scale DAB „dem digitalen Radio eine neue, lokale Dimension“. So hieß es im Abschlußbericht eines neunmonatigen Tests mit mehr als 70 Radios in zehn Regionen. Die britische Medienbehörde will einen Regelbetrieb einleiten, hieß es im Herbst 2016. Interessierten Radioveranstaltern wurde der Einstieg in die digitale Terrestrik ab 9.000 Pfund (rd. 10.000 Euro) in Aussicht gestellt. Die geringen Einstiegskosten könnten die Gründung von bis zu 1.000 kommerziellen und nichtkommerziellen bzw. kommunalen Radiosendern stimulieren, schätzten britische Experten.

Ein britisches Beispiel zeigt allerdings auch, dass Übertreibungen nicht ausgeschlossen werden können. So setzte Niocast, Netzbetreiber des Small Scale Tests in Manchester, im Mai 2017 die Programmzahl von 19 auf 28 hoch. Das ist ein eher trauriger Weltrekord, weil die Qualität hörbar eingeschränkt wird. Möglich wird das einerseits durch Umschaltung bisheriger Programme auf DAB+. Andererseits werden die Datenrate je Programm und der Fehlerschutz erheblich eingeschränkt sowie vielfach in Mono gesendet. Je Programm stehen im Schnitt nur 31 Capacity Units zur Verfügung. In Deutschland werden dagegen um 56 CU (entsprechend ca. 15. Programme je Multiplex) für erforderlich gehalten, um eine gute Tonqualität zu sichern. Einige öffentlich-rechtliche Wellen senden mit erheblich höheren Werten.

Unter dem inoffiziellen Titel „Private Members’ Small-Scale DAB Bill“ machte das britische Parlament Ende April 2017 den Weg für einen Regelbetrieb der Small Scale Netze frei und Ofcom verlängerte die zehn Testlizenzen bis 2020. Im Januar 2018 leitete die Regierung ein Konsultationsverfahren ein, um Vorschläge aus der Radiobranche zu den regulatorischen Fragen eines Regelbetriebes lokaler Radios mit Small Scale DAB zu sammeln.

Eine von Ofcom im August 2018 gestartete Bedarfsabfrage ergab ein überbordendes Echo: Insgesamt 430 Rückmeldungen betragen 313 mögliche Sendegebiete mit einer nicht näher erfassten Fülle von aktiven und neuen Radiostationen. Ballungsräume wie Glasgow (Rückmeldungen zu 8 möglichen Muxen), Leeds und Westlondon (6), Liverpool und Nordlondon (5) sowie Belfast, Birmingham, Bradford, Ost- und Südlondon und Southampton (je 4) standen besonders hoch im Interesse der Beantwortungen.
Die klickbare Ofcom-Karte zeigt potenzielle Muxe, für die mindestens ein Programm bekannt war (Stand: 11/18).

Nach abgeschlossener Frequenzplanung und einer ersten Ausschreibung wurde Mitte 2021 war ein erstes Paket für 25 Regionen für rund 500 Programme vergeben. Die zweite Ausschreibung lief 2021. Insegsamt acht Ausschreibungen sind für rund 200 lokale Multiplexe geplant.

Stadtmuxe für Paris, Marseille und Nantes

Die bereits erwähnte Schweizer Digris AG ist zwischenzeitlich auch in Frankreich aktiv geworden. Engagiert ist man bei den Lokalmuxen für Lyon, Mulhouse, Nizza und Valenciennes, die seit Ende 2018 auf Sendung gingen.

Bereits seit 2014 sind drei lokale Stadt-Multiplexe in Betrieb. Nichtkommerzielle Radios der Coopérative de radiodiffusion verbreiten ihre Programme in Paris mit 4 kW. Die Société de Diffusion Numérique sendet in Marseille nichtkommerzielle Radios mit 4 kW. In Nantes betreibt Groupement des Radios Associatives de la Métropole nantaise einen 5 kW-Mux.

Zwei regionale Multiplexe

Schon seit 2011 wird in Dänemark mit Small Scale gesendet. KanalPlus betreibt den Mux NivaaDAB in der Region zwischen Helsingör und Kopenhagen mit 10 Programmen mit 1 kW. Ein weiterer regionaler Mux ist in Oestjyll (Ost-Jütland) in einem Gleichwellennetz mit 2 kW in der Luft.

Test in mehreren Regionen 2016/2017

Ab Mitte 2016 startete in den Niederlanden ein erster lokaler DAB+-Multiplex mit Testlizenz im Raum Groningen. Dabei kommt erstmals in den Niederlanden „software-based DAB“ zum Einsatz. Seither nahmen rund 30 Testmultiplexe den Betrieb auf. Die Projekte endeten zum Jahreswechsel 2017/2018 mit Abschaltungen der Muxe. Anschließend will die Medienbehörde Agentschap Telecom die Ergebnisse auswerten.

Lokalfunk in deutscher Sprache

Ende Dezember 2017 startete in Belgien ein Projekt mit den deutschsprachigen BRF1, BRF2, Radio Contact, Hitradio 100.5 und Radio 700. Dafür stellt die LMK ihren DAB+-Server für die Bildung des Multiplexes zur Verfügung. Gesendet wird mit 250 Watt von einem 25 Metermast in Eupen, so dass die Programme in bis etwa 20 km Entfernung vom dort auch in Deutschland gehört werden können.

Der Mux aus der Cloud

Mit DABCast stellte das polnische Unternehmen BCast ein eigenes Verfahren vor. Kern ist die Internet-Cloud. Dort werden mittels der BCast-Anwendung Mux Datenströme zusammengefasst und für die Signalisierung in DAB+ vorbereitet. Am Ende des Workflows steht die Hardware TX Transmitter, die den Multiplex auf der gewünschten Sendefrequenz abstrahlt. BCast betreibt im Heimatland und in Spanien Sendestandorte für DAB+.

Weitere Informationen:
Homepage und Wiki von Open Digital Radio.
Homepage der Digris AG.
Small Scale-Seiten von Ofcom.

Small Scale DAB+-Netz „Mux One“ sendet vom 13.12.2021.
Neue Runde für Small Scale-Sendeinseln vom 2.6.2021.
Neun Programme für Teneriffa vom 12.2.2020.
Mehr als 100 Bewerbungen für Small Scale-Muxe vom 6.11.2019.
DAB+-Multiplexe aus der Cloud? vom 23.10.2019.
430 Rückmeldungen zu Small Scale-Netzen vom 10.11.2018.
Bedarfsermittlung für Small Scale Regelbetrieb vom 1.8.2018.
Small Scale-Ausbau mit Verschiebungen vom 9.7.2018.
Small Scale Trials bis 2020 verlängert vom 13.3.2018.
Regelbetrieb für Small Scale in England in Vorbereitung vom 7.1.2018.
LMK unterstützt Small Scale Projekt in Belgien vom 12.12.2017.
DAB-Lokaltest endet im Januar in Dänemark vom 8.12.2017.
Small Scale DAB geht in den Regelbetrieb in England vom 8.5.2017.
Small Scale DAB+ im lokalen Test in den Niederlanden vom 18.4.2017.
England: „Neue, lokale Dimension“ für DAB vom 28.10.2016.
Schweizer Modell „ideal“ für Sachsen vom 5.9.2016.
Erste regionale DAB+-Insel in Genf gestartet vom 2.6.2014.

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